Eintrag 21 - Vorwärts
- Kairo, 15. Juli 2039
Sie landeten nach Sonnenuntergang. Die Glut der ägyptischen Junisonne hatte das Land aufgeheizt. Unter ihnen leuchtete Kairo wie eine Million Juwelen – die Wiege vieler Zivilisationen glänzte in der Nacht.
Zu ihrer Überraschung verlief die Reise weitgehend ruhig. Die wenigen einsatzbereiten Luftstreitkräfte wagten sich kaum noch in diesen Teil der Welt, um nicht den Ärger einer der letzten intakten Nationen der Region auf sich zu ziehen – Israels. Eine ungeschriebene Regel Söldner- und Konzernwelt lautete, sich niemals mit den Israelis anzulegen.
Auch Ägypten existierte offiziell noch als souveräner Staat, doch die Trockenheit und anschließende Hungersnot der frühen 2030er-Jahre machten es fast komplett von Nahrungsmittelimporten abhängig, wofür die einst stolze Nation mit Land, und Freiheiten bezahlen musste. Selbst jetzt noch war Kairo der Sitz mehrerer großer nordafrikanischer Konzerne, mit der Suez Incorporated als größter Firma und wichtigen Handelspartner von Clayburn Industries.
Seagrove seufzte bei diesem Gedanken. Falls Clayburn nicht wusste, dass sie ihm in Istanbul entwischt sind, dann wusste er es spätestens jetzt.
Am Ende hatte Ibrahim es geschafft, die Anführer der Schwarzen Adler zu überzeugen, die im Besitz mehrerer C-17-Maschinen waren, um sie übers Meer zu fliegen, doch der Preis war hoch und ließ die bereits angeschlagenen Finanzen der Seahawks nochmal drastisch schrumpfen. Nahrung und Treibstoff mussten in Kairo zu beschaffen sein, aber dafür brauchten sie Kreditpunkte und Kreditpunkte waren das, was den Seahawks fehlte.
Um ihre ungünstige Situation zu lösen, fasste Adrian Blackwood die schwierige Entscheidung, die restlichen Leopard-Panzer und sämtliche Unterstützungsfahrzeuge der Einheit zu verkaufen. Ein beachtlicher Teil der Seahawks hatte es vorgezogen, als freie Söldner in Istanbul zu bleiben, was die gesamte Truppenstärke auf 300 Mann reduzierte und es waren schlichtweg zu wenige, um eine große Fahrzeugflotte zu bedienen. Die Leopard-2-Panzer hatten bei der Flucht vom Balkan das meiste abgekriegt und waren ziemlich abgenutzt, derweil die Aussicht darauf, südlich und westlich von Europa geeignete Ersatzteile zu beschaffen, eher unwahrscheinlich war.
Amerikanische Fahrzeuge hingegen konnte man nach dem massiven Ausverkauf von Militärtechnik in den späten 2010er-Jahren immer noch in Nordafrika antreffen. Der Plan war also, die Feuerunterstützungsfahrzeuge Stryker, sowie die Bradleys- und Abrams-Panzer mit nach Kairo zu nehmen in der Hoffnung, nach Abschluss der Operation Ersatzteile, Transporter und Nachschub zu besorgen.
Sie merkten, dass der Plan scheiterte, als sie kurz nach der Landung in Kairo durch die Sicherheitskräfte des Flughafens angegriffen wurden, von denen Ibrahim behauptet hatte, man hätte sie mit Leichtigkeit bestechen können, um einen gesicherten Abzug der Einheit vom Gelände zu garantieren. Sie hatten es wirklich auf sie abgesehen, dachte Seagrove grimmig. Die Falle war gut vorbereitet - die C-17-Maschinen mussten mehrere Male fliegen, um die gesamte Einheit samt Ausrüstung übers Meer zu bringen und die mit schweren Panzern bewaffneten Sicherheitskräfte warteten ab, bis alle am Boden waren. Zum Glück für die Seahawks waren die Sicherheitskräfte nur schlecht ausgebildet und der Angriff wurde abgewehrt, wenn auch unter Verlusten.
Die C-17-Piloten nahmen sofort Reißaus, die startenden Flugzeuge wurden nicht beschossen. War der Hinterhalt Clayburn zuzuschreiben? Oder hat Ibrahim ein falsches Spiel mit ihnen getrieben? So oder so wäre es fatal gewesen, als ausgewiesene Feinde des Konzerns in Istanbul zu bleiben, und zwar sowohl fürs Geschäft, als auch für die eigene Gesundheit.
Seagrove schüttelte den Kopf, als er in die Gesichter der Frauen und Männer blickte, die um einen Tisch in einem der Hangars herumsaß. Die ausgebrannten Fahrzeugwracks der Sicherheitskräfte hüllten den Flugplatz in beißenden Rauch und die verrußten und blutverschmierten Seahawks stapelten die Leichen an einer Mauer. Jeder in der Runde hatte Blessuren erlitten, die von einem zähen Kampf zeugten. Nur Blackwood schien das alles nicht zu stören und er begann damit, bereits die nächste Phase der Operation zu erklären. Seagrove, völlig übermüdet und matt, musste sich zwingen, um konzentriert zu bleiben.
„...und nach diesem warmen Empfang können wir uns nicht leisten, lange in Kairo zu bleiben. Wir lassen eine kleine Einheit unter Kommandant Sokolovs Führung zurück,“ er nickte dem neben ihm sitzenden Mann zu, der die gleiche stoische Ruhe ausstrahlte, „um so viel Vorräte wie möglich zu beschaffen und außer Landes zu bringen. Der Rest von uns wird sich gen Osten in Bewegung setzen. Den Panzern tut der Wüstensand nicht gut, versucht also nicht, alles aus ihnen herauszuholen.“
Die anderen nickten, nur Kathryn Grey stellte eine Frage, die auch den anderen auf der Zunge zu brennen schien.