Eintrag 36 - Have Tanks, Will Travel
- Jacksonville, Florida, 20. November 2039
Ursprünglich hatten sie drei Wochen für ihre Überfahrt eingeplant, am Ende dauerte es einen ganzen Monat, bis sie endlich die amerikanische Küste erreichten.
Bis auf einen kurzen Sturm im Mittelmeer verlief die Reise überraschend ruhig. Die meisten Marineverbände waren mittlerweile kaum einsatzfähig und ihre Schiffe rosteten in verlassenen Kriegshäfen vor sich hin. So wurde die Altalena (ja, der Name blieb erhalten) während ihrer Reise von keinem Feind bedrängt und selbst die Passage durch die ehemals stark bewachte Straße von Gibraltar verlief ohne Zwischenfälle. Die Seahawks konnten sich in aller Ruhe von der Alten Welt verabschieden, während die spanische Steilküste an ihnen vorbeizog. Die meisten würden Europa nie wiedersehen, auch wenn sie das zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen konnten.
Nach zehn Tagen auf See umschifften sie die Azoren. Das ehemalige Urlaubsparadies lag verlassen und wenig einladend da, inmitten der kahlen Felsen und Klippen würden sie keine neue Heimstatt finden und so segelten sie weiter dem Westen und ihrem Schicksal entgegen.
Wie Blackwood vorhergesagt hatte, war die U.S. Navy an der Ostküste nicht zugegen, weshalb auch die Ankunft in Florida ohne Gegenwehr verlief. Was sie jedoch nicht erwartet hatten, war das Ausmaß an Wohlstand, das sie vor Ort antrafen. Die Navy-Basis stand noch da, war jedoch alles andere als verlassen.
Die "Free City of Jacksonville", wie sie seit dem Umsturz von ihren Bewohnern genannt wurde, war formal immer noch Teil des Staates Florida und der Vereinigten Staaten von Amerika, doch in Wirklichkeit war der Einfluss der Regierung in der Region kaum zu spüren. Ein brüchiger Frieden – oder, besser gesagt, ein Waffenstillstand – zwischen den Separatisten, die den größten Teil des amerikanischen Südwestens unter ihre Kontrolle gebracht hatten, und der rechtmäßigen Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika war das Ergebnis eines fehlgeschlagenen Versuchs Washingtons, den Südwesten im Jahr 2039 unter Einsatz privater Militärunternehmen zurück in den Schoß der Nation zu holen.
Jacksonville blieb von den schlimmsten Kämpfen zwar verschont, doch auch hier waren die Spuren des Konflikts nicht zu übersehen. Als sich die Seahawks im frühen Morgennebel dem Anlegeplatz näherten und an Deck versammelten, sahen sie unzählige Fahrzeugwracks und zerstörte Gebäude. Im Hafen herrschte ein reges Treiben und die Fischer und Dockarbeiter staunten nicht schlecht, als sich ihnen das riesige Frachtschiff näherte. Als die Altalena mit dem Andockmanöver begann, rannten einige aufgeregte Arbeiter auf ein unscheinbares Bürogebäude zu. Noch bevor das Schiff festmachen konnte, kehrten die Arbeiter mit einem glatzköpfigen Mann mittleren Alters zurück, der in einem billigen Anzug stecke und ziemlich müde aussah – es war der Hafenmeister. Er nickte ihnen knapp zu, als wäre es das normalste auf der Welt, dass ein unangemeldeter Frachter in seinem Hafen einläuft.
"Meine Herren. Willkommen in Jacksonville."
Er schaute sich um und taxierte Schiff, Fracht und Besatzung mit einem einzigen Blick, der einen abgebrühten Profi verriet.
"Sie werden Hilfe beim Entladen brauchen."
Es war eine Feststellung, keine Frage.
"Ich werde einige meiner Jungs schicken. Schauen sie in meinem Büro vorbei," er zeigte auf das Gebäude hinter sich, "um die Gebühren zu begleichen."
Er sah aus, als ob er eine Liste im Kopf durchgehen würde und nickte sich schließlich selbst zu.
"Zuerst muss ich sie aber bitten, den Herren von der Hafensecurity zu folgen, es geht um ihre..."
Er machte wieder eine Pause und sein Blick richtete sich auf die Waffen, die von den hinter Blackwood stehenden Seahawks-Wachen getragen wurden.
"...Ausrüstung."
Er lächelte entschuldigend.
"Wir wollen doch keine unnötigen Zwischenfälle, oder?"
Blackwood nickte kurz und sah im selben Augenblick, wie sich die Wachmannschaft den Kaianlagen näherte. Die Sicherheitsleute waren sichtlich aufgeregt und trugen schwere Waffen bei sich, darunter die eine oder andere Panzerfaust. Er drehte sich zu den hinter ihm versammelten Soldaten um. "Seagrove, du bleibst bei mir. Kate, Fjodor, ihr behaltet das Schiff im Auge und kontrolliert die Entladung. Wir können unsere Sachen bestimmt irgendwo lagern." Er wandte sich wieder an den Vorarbeiter, "Gibt es ein freies Lagerhaus?"
Der Hafenmeister deutete auf eine Halle am Ende des Kais.
“Also gut, dort drüben. Lasst uns loslegen, diese bewaffneten Typen scheinen ziemlich nervös zu sein."