Jedes Militär hat seine Legenden, doch keine Armee der Welt ist so von Mythen umrankt gewesen, wie die deutsche im Zweiten Weltkrieg. Heute werfen wir einen Blick auf einige dieser Mythen und wollen versuchen, an so etwas wie die Wahrheit heranzukommen - dass nämlich das deutsche Militär ebenso kompetent und fehlerhaft gewesen ist, wie die anderen Armeen der Weltkriegsära.
Der Mythos von der Übermacht der Waffen-SS
Der wohl bekannteste und hartnäckigste Mythos betrifft die Übermacht der Deutschen, insbesondere der Einheiten der Waffen-SS. Diese auf NS-Propaganda basierende Vorstellung schwappte in die Nachkriegszeit über und hält sich bis heute, ungeachtet der weitgehend üblen Reputation der Waffen-SS an sich.
Während man einige Einheiten der Waffen-SS durchaus zur „Elite“ des deutschen Militärs zählen kann, gilt dasselbe für die gepanzerten Divisionen der Wehrmacht. Insgesamt sind Einheiten der Waffen-SS denen der Wehrmacht nicht überlegen gewesen - im Gegenteil. Während sich einige Einheiten, vor allem die Panzerverbände, mit der Wehrmacht messen konnten, sind die meisten Verbände der Waffen-SS den gut ausgebildeten regulären Soldaten unterlegen gewesen. SS-Truppen wurden hauptsächlich nach Rassemerkmalen und Loyalität dem Naziregime gegenüber ausgewählt, nicht nach militärischen Fähigkeiten. Reguläre Wehrmachteinheiten halfen SS-Truppen oft aus der Bredouille und bewahrten sie unter anderem beim Frankreichfeldzug vor der Vernichtung. Als Regel hatten SS-Verbände höhere Verluste und erreichten ihre Ziele seltener, als die Wehrmacht. Diese Aussagen beziehen sich wohlgemerkt auf die „besten“ Einheiten der Waffen-SS - „Reich“, „Leibstandarte Adolf Hitler“ und „Totenkopf“. Andere Einheiten der Waffen-SS verdienen das Prädikat „miserabel“ (insbesondere, wenn sie nicht aus ethnischen Deutschen bestanden, sondern aus ausländischen Freiwilligen). In der Schlacht sind sie generell nicht erwähnenswert bis komplett nutzlos gewesen, hatten eine miserable Kriegsmoral und wurden hauptsächlich zur Partisanenbekämpfung eingesetzt (so wie die 13. Waffen-Gebirgs-Division der SS „Handschar“).
In der regulären Armee (Wehrmacht) hielt sich die Meinung von einem nutzlosen Haufen, die sich bestenfalls in Verachtung, oftmals aber auch in Hass äußerte. Einheiten der Waffen-SS waren unzuverlässig und dafür bekannt, ihre Erfolge in Berichten hochzuspielen, während sie von offizieller Seite mit der besten Ausrüstung beliefert wurden, die in den Händen von Wehrmachtsoldaten besser aufgehoben wäre und trugen enorm dazu bei, die deutsche Kampfkraft zu verringern. Der berüchtigte SS-Kommandeur Michael Wittman wurde von Offizieren der Wehrmacht als besonders dreister Vertreter seiner Art angesehen, der keine Befehle befolgte und nur darauf aus war, Ruhm anzuhäufen. Er mag seinen Zweck als wertvolles Propagandamittel erfüllt haben, aus militärischer Sicht hingegen ist sein Wert umstritten, weil jeder sich achtende Militär sich eher auf Befehlskette und Kooperation verlässt, als auf individuelle Aktionen. Seine Karriere tat das keinen Abschlag, schließlich ist er ein Protegé von Heinrich Himmler und damit unantastbar gewesen.
Um das Bild zu vervollständigen, muss erwähnt werden, dass das Training der Panzerbesatzungen in den letzten Kriegsjahren wegen Treibstoff-, Kandidaten- und Zeitmangel arg vernachlässigt wurde. Am Ende des Krieges hatten deutsche Panzersoldaten buchstäblich ein oder zwei Stunden Training, bevor sie in die Schlacht geschickt wurden. Allein die Tatsache, dass eine solche Armee selbst 1945 mancherorts noch erheblichen Widerstand gegen die Alliierten leisten konnte, unterstreicht ihren entschlossenen Mut - die erbitterten Kämpfe in den letzten Tagen des Krieges sind für die alliierten Kräfte alles andere als leicht gewesen.
Die Übermacht der deutschen Technologie
Vom ersten bis zum letzten Tag des Krieges mangelte es dem deutschen Militär zwar nicht an guter Ausrüstung, die gängige Meinung von einer ihren Gegnern in Sachen Panzertruppen weit überlegenen Armee ist jedoch ein weitreichendes Missverständnis. Diese irrige Meinung hat ihren Ursprung wohl in den fantastischen (und unrealistischen) Projekten der letzten Kriegsmonate, sowie der Reputation der Tiger- und Panther-Panzer.
Zu Begin des Krieges (1939-1940) sind deutsche Panzerwaffen alles andere als überragend gewesen. Was Schutz und Feuerkraft betrifft unterlagen die leichten Panzerkampfwagen I und II sind so gut wie allen französischen, tschechoslowakischen, britischen und polnischen Panzerfahrzeugen und ohne die in der Tschechoslowakei erbeuteten Panzer wäre der Angriff auf Polen weitaus schwieriger wenn nicht gar unmöglich gewesen. Zum Zeitpunkt des Frankreichfeldzugs sind moderne französische Panzerfahrzeuge sowohl den deutschen, als auch den tschechoslowakischen Leichtpanzern weit überlegen gewesen, was nicht verhindern konnte, dass der Großteil der militärischen Ausrüstung veraltet war und sich die Armee mitten in der Umrüstung befand, was von dem herrschenden Chaos und der ausgebrochenen Panik verstärkt wurde. Die Weiterentwicklungen Panzer III und IV existierten vor 1941 nur in kleinen Stückzahlen und selbst zu Beginn der Operation Barbarossa fuhr das Deutsche Reich eine große Zahl erbeuteter Fahrzeuge auf (insbesondere den Panzer 38(t)).
Die Panzer III, IV und das StuG III sind das Rückgrat der deutschen Armee während des gesamten Krieges gewesen. Es sind solide Panzer gewesen; insbesondere der Panzer IV, der gut konstruiert war und bis zum Ende des Krieges im Dienst stand. Das bedeutet nicht, dass sie ähnlichen Modellen ihrer Zeit überlegen wären, wenn man die unterschiedliche Bewaffnung und die unterschiedlichen Ziele in Betracht zieht. Die Bewaffnung der Fahrzeuge veränderte sich nur langsam, wobei die Entwicklung bewusst gebremst wurde, um die Produktionsprozesse nicht zu verkomplizieren. So auch beim 50mm-Geschütz, dessen frühe, am Panzer III angebrachte Variante (L/42) eigentlich durch ein längeres Modell ersetzt werden sollte (L/60), dann aber mit der Begründung abgewiesen wurde, die L/42-Variante wäre ausreichend, um die zu jener Zeit bekämpften Sowjetfahrzeuge zu konfrontieren, sowie mit dem Argument, längere Kanonenrohre würden dem Städtekampf hinderlich sein. Die frühen Versionen der Panzer III und IV konnten praktisch von allen Panzerabwehrwaffen ernsthaft beschädigt werden (inklusive Panzerbüchsen) und erst allmählich verstärkte man sie mit zusätzlicher Panzerung, um Schutz gegen die gängigsten Gefahren zu gewähren.
Die wohl bekanntesten deutschen Panzer sind der Tiger und der Panther gewesen. Und auch wenn der Panther das zuverlässigere Modell gewesen ist, wurde der Tiger dank seiner (nicht immer verdienten) Reputation berühmt. Als der Panzerkampfwagen VI „Tiger“ zum ersten Mal im Feld getestet wurde, ist er ein richtiges Monster gewesen. Er wog 55 Tonnen, ist mit der gefürchteten 88mm-Kanone bestückt gewesen und konnte so gut wie jedem Feuer standhalten. Andererseits ist er sehr langsam, unzuverlässig und extrem teuer gewesen. Und auch wenn die Sowjets ziemlich schnell Mittel und Wege fanden, um den Tiger zu bekämpfen, hatte er seinen Ruf als gefürchtete Todesmaschine weg, vor allem Dank der Tötungsraten einiger Besatzungen. Ab 1943 verlor der Tiger mit dem Auftauchen mächtigerer Geschütze an Bedeutung, was ihn bei anhaltend großen Produktionskosten für die deutsche Armee untragbar machte. In einer ähnlichen Situation befand sich auch der Panther. Auf dem Papier ist es ein exzellenter Panzer gewesen, dessen lange 75mm-Kanone so ziemlich jedes Hindernis zerstören konnte. Trotzdem hielt seine Seitenpanzerung Panzerbüchsen nicht stand (was zur Entwicklung des Panther II und seitlichen Panzerschürzen führte) und auch frontal ist er verwundbar gewesen, manchmal sogar durch sowjetische 45mm-Geschütze. Der Schock, den der Panther an der Westfront verursachte, gründete nicht auf den Kampfeigenschaften des Fahrzeugs, sondern auf de Tatsache, dass er den Panzer IV als Hauptpanzer der Deutschen ersetzte (im Gegensatz zum Tiger, der ebenso wie sein Nachfolger, der Tiger II, als Spezialwaffe von Panzerdivisionen eingesetzt wurde). Trotz seines hohen Preises und der notorischen Unzuverlässigkeit (die letzten Exemplare machten nach 150 Kilometern schlapp) ist der Panther ohne Zweifel einer der besten Panzer gewesen, den die Deutschen gebaut haben und obwohl die schweren und superschweren Panzer nach dem Krieg ausstarben, nutzte die französische Armee einige Zeit lang noch zu Übungszwecken und als man sich ein Jahrzehnt nach Kriegsende in Westdeutschland daran machte, eigene Panzer zu produzieren, ist auch eine Wiederbelebung des Panthers im Gespräch gewesen. Es sollte noch angemerkt werden, dass die Deutschen zum Ende des Krieges hin ihre Panzerproduktion auf drei Basis-Fahrgestelle reduzierten: leicht (38(t)-Chassis), mittel (Panther-Chassis) und schwer (Tiger II-Chassis).
Ist der Panther das beste Panzerfahrzeug der Deutschen gewesen? Nein. Dieser Titel geht an den unscheinbarsten Kandidaten - das StuG III. Gebaut auf dem Fahrgestell des Panzer III, ist das StuG III preiswert gewesen, konnte exzellente Ergebnisse vorweisen und verblieb bis zum Ende des Krieges effektiv. Der Bau dieser Fahrzeuge ist in Kriegszeiten sinnvoller gewesen, als schwer ausgerüstete Megapanzer zu produzieren, insbesondere bei einem guten Preis-Tötungs-Verhältnis.
Entgegen der geläufigen Meinung, sind Tiger sehr selten gewesen, besonders zum Ende des Krieges hin. In vielen älteren Berichten über Kriegszeiten ist von vielen zerstörten „Tigern“, „Panthern“ und „Ferdinands“ die Rede, während die meisten zerstörten Panzer in Wirklichkeit andere Modelle waren und nicht die gefürchteten „Großkatzen“ - für den durchschnittlichen alliierten Krieger allerdings ist jeder deutsche Panzer ein „Tiger“ gewesen.
Eine nennenswerte Sache ist der vielgerühmte deutsche Stahl. In der Vergangenheit wurden ihm von verschiedener Seite nahezu mythische Attribute zugesprochen und das Wort „Kruppstahl“ wurde Synonym für „solide“. Jüngere russische Quellen beschreiben es hingegen als brüchig und anfällig, besonders in zum Ende des Krieges hin. Die Wahrheit liegt - wie immer - irgendwo dazwischen. Krupps Stahl ist in der Tat eher hart als weich gewesen, was jedoch nicht unbedingt ein Vorteil ist. Und obwohl weicher Stahl gegenüber der harten Variante entscheidende Vorteile besitzt, ist die fehlerhafte Losung „je härter, desto besser“ für den Mythos verantwortlich, der dem deutschen Stahl anhängt. Andererseits ist die Behauptung, deutscher Stahl hätte mit Fortschreiten des Krieges an Qualität verloren, schlichtweg falsch, denn laut H.L. Doyle kompensierten die Deutschen mangelnde Rohstoffe der Stahlherstellung durch veränderte Formeln.
Zuletzt wollen wir uns mit den deutschen „Wunderwaffen“ aus der späten Kriegszeit befassen, darunter dem Panzermodell „Maus“. Während einige dieser Projekte, insbesondere in der Luftfahrt und in der Raketenentwicklung, ihren Teil zum Mythos von einer deutschen Supertechnologie beigetragen haben, sind die meisten entweder völlig missinterpretiert oder völlig nutzlos gewesen, wie der „Maus“, der wegen seines enormen Gewichts völlig unpraktisch, überteuert und langsam war, zu viel Treibstoff verbrauchte und eine Panzerung besaß, die ihn nicht gegen gängige Waffen der Alliierten schützte. Die berühmte E-Serie ist nichts anderes gewesen, als ein vereinfachtes Modell des Tiger II und hatte nichts mit einem „Superpanzer“ gemein, als der er gemeinhin angesehen wurde. Es wurde sogar in Betracht gezogen, den E 75 mit einer Praga-Aufhängung zu bestücken, einem zwar verlässlichen, aber technologisch rückständigem Element.
Schlussfolgerung
Die deutsche Armee ist in Sachen Kompetenz und Erfolg allen anderen Armeen des Zweiten Weltkriegs ebenbürtig. Sie feierte Siege und steckte Niederlagen ein, inszenierte Triumphmärsche und musste schwere Verluste hinnehmen. Manche Entwicklungen der deutschen Kriegsindustrie werden immer noch verendet, während andere von Deutschen verwendete Fahrzeugklassen gleich nach dem Krieg verschwanden. Eines jedenfalls ist sicher - die Deutschen haben die Entwicklung des Panzers wesentlich mitbestimmt, ebenso wie die Art und Weise der bewaffneten Kriegsführung.