Ein Hoch auf den Chieftain

Die Wurzeln des Chieftain-Projekts reichen bis in die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs zurück, als die Briten damit begannen, den ersten massenhaft produzierten „Universalpanzer“ zu bauen, den Centurion. In den frühen 50er Jahren suchten die zwar siegreichen, von dem kostspieligen Krieg aber immer noch getroffenen Briten einen Weg, die Feuerkraft ihrer Panzertruppen möglichst kostengünstig zu erhöhen. Der erste Schritt zu einem neuen Panzer war die Anordnung zur Entwicklung des Mittleren Panzers Nr. 2 (Nr. 1 ist der FV 221 Caernavon gewesen, eine Weiterentwicklung des Conqueror). Geplant ist eine ganze Familie von Waffensystemen, die 1956 in Dienst treten sollte (was sich natürlich als unrealistisch erwies).

Caernarvon

Der Weg zu einem erfolgreichen neuen Panzer ist schwer und voller Hindernisse gewesen.

Ein steiniger Weg

Bei der Entwicklung des neuen Fahrzeugs stützten sich die Briten auf Erfahrungen aus der letzten Phase des Zweiten Weltkriegs und ließen sich vom Design sowjetischer Panzer inspirieren (vor allem dem furchterregenden IS-3, der am Ende doch nicht halten konnte, was er versprach). Die Auswertung der Kämpfe zwischen dem Centurion und T-34-Panzern in Korea spielte ebenfalls eine Rolle. In der Entwicklungsphase kamen die Briten zu der Schlussfolgerung, dass die Fahrzeuge folgende Prioritäten haben sollten:

  • Feuerkraft
  • Sicherheit der Besatzung
  • Beweglichkeit

Die Panzerung wurde als Teil der Besatzungssicherheit angesehen und über die Beweglichkeit gestellt, nicht so sehr, um die Fahrzeuge gegen Panzerabwehrgeschosse zu wappnen, als gegen Feldartillerie, was auf Erfahrungen aus dem Koreakrieg basierte.

Das Hauptaugenmerk lag jedoch unbestritten auf der Feuerkraft. Neben einer möglichst kostengünstigen Produktion konzentrierten sich die Briten anfangs auf eher unorthodoxe Lösungen, wobei das Prodigal-Projekt den Anfang machte. Es ist der Versuch gewesen, einen sehr leichten und kostengünstigen Panzerkiller zu entwerfen. Es gab mehrere Prodigal-Varianten (einige zum Beispiel wurden mit einem rückstoßfreien 120mm-Doppelgeschütz ausgestattet), wobei einige sich ob ihrer kompakten Größe schon für die Tankette-Klasse qualifizierten. Die Krönung der Prodigal-Entwicklung ist ein mit einer automatisch ladenden Variante der 120mm-LL-Kanone 30-Tonnen-Fahrzeug gewesen, das kürzlich von David Lister in den Archiven entdeckt wurde. Das Projekt fand am Ende keinen Abschluss.

Ein anderes interessantes Beispiel sind Experimente mit flüssigen Treibladungen gewesen. Der bekannteste Versuch war dabei der FV4401 Contentious. Das Projekt hatte seine unbestrittenen Vorteile: dank des explosiven Aerosoltreibstoffs konnten die Geschosse höhere Mündungsgeschwindigkeit erreichen. Auf der anderen Seite war das gesamte Hochdrucksystem sehr anfällig und kompliziert und es ist auch nicht möglich gewesen, die Geschosse sofort abzufeuern - die Flüssigkeit musste zuerst in die Kammer gespritzt werden (im Gegensatz zu regulären Runden, die sofort abgefeuert werden können). Auch die Ergebnisse sind nicht konstant gewesen - die hohe Mündungsgeschwindigkeit konnte nicht mit jedem Schuss eingehalten werden.

FV4401

Im Jahre 1954 einigte man sich im Generalsstab auf die Voraussetzungen, die von den neuen Fahrzeugen erfüllt werden sollten. Es sollten 4-Mann-Panzer mit konventioneller Form und einer Mobilität auf Centurion-Niveau sein (was als effizient angesehen wurde), wobei man keinen Wert auf hohe Geschwindigkeit legte, die sich in Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs als zu anstrengend für die Besatzung herausstellte. Trotzdem sollte der Panzer schnell beschleunigen, woraus folgte, dass das Fahrzeug mindestens ein Leistungsgewicht von 20 PS pro Tonne besitzen musste. Das maximale Gewicht des Panzers sollte ursprünglich 68 Tonnen betragen, wurde schließlich auf 45 Tonnen festgesetzt. Die geforderte Feuerrate betrug 10 Runden pro Minute in der ersten Minute der Schlacht und 6 Runden pro Minute in den folgenden vier Minuten. Das Fahrzeug musste auch mindestens 60 Runden Munition tragen können (wobei 80 Runden als optimal angesehen wurde).

1957 fand eine trilaterale Waffenkonferenz zwischen den USA, Großbritannien und Kanada statt. Dort wurde zum ersten Mal das Konzept des „modernen Kampfpanzers“ vorgestellt. Dabei setzte man fest, dass ein solches Fahrzeug mit einer Kanone ausgestattet werden sollte, die in der Lage wäre, 120mm-Panzerungen zu penetrieren, bei einem Winkel von 60 Grad und 1800 Metern Entfernung - dafür wurde ein Geschützkaliber von 120mm als passend ausgewählt.

Hier kommt der FV4201

Nicht jeder ist mit dieser Lösung einverstanden gewesen und viele Waffenexperten betrachteten aufgrund des Gewichtsvorteils das 105mm-Kaliber als optimale Option, sodass man sich schließlich auf die Verwendung von getrennter Munition einigte. Das Problem bei getrennter Munition, bei der Geschoss und Kartusche separat aufbewahrt werden, lag darin, dass die empfindlichen Ladungen relativ leicht explodieren konnten, was aber dadurch behoben werden konnte, dass sie in einer Mischung aus Wasser und Glykol „nass“ aufbewahrt wurden. Wurde ein Aufbewahrungscontainer von Granatsplittern getroffen, floss das Wasser und verhinderte oder verzögerte zumindest eine Explosion, was die Überlebenschancen der Besatzung erhöhte. Die zweigeteilte Munition ermöglichte eine sichere und ergonomische Lagerung im Innern des Panzers, was eine Feuerrate von akzeptablen 6 Runden pro Minute ermöglichte.

Natürlich ist ein derart massives Geschütz sehr schwer gewesen und wirkte sich signifikant auf das Gesamtgewicht des Panzers aus. Um diesem Sachverhalt entgegen zu wirken, beschloss man, den Rumpf so klein wie möglich zu gestalten. Diese Entwicklung führte unter anderem dazu, dass der Fahrer in einem voll zum Einsatz gerüsteten Fahrzeug praktisch im Liegen Platz nehmen musste - eine Lösung, die beim Chieftain zum ersten mal eingesetzt und in der Folgezeit von vielen Entwicklern kopiert wurde. Das Fahrzeug sollte mit einem V8-Mehrstoffmotor mit automatischem Getriebe ausgestattet werden. Der Panzer erhielt die Bezeichnung FV4201.

chief mockup

Die Entscheidung, den Panzer mit einem Mehrstoffmotor auszustatten, basierte auf einem Abkommen von 1958 und bezog sich theoretisch auf alle westlichen Panzer (wobei faktisch nur die Briten aus der Reihe tanzten) - der Motor der Wahl ist in diesem Fall der Leyland L60-Zweitaktdiesel gewesen. Diese Entscheidung sollte dem Anspruch genügen, einen soliden und relativ langlebigen Antrieb zu haben, der auch in niedrigen Temperaturen einwandfrei laufen würde, wie man sie auf einem Kriegsschauplatz in Europa zu erwarten hatte. Es ist anzumerken, dass niemals ein anderer Kraftstoff für den L60-Motor eingesetzt wurde und die Maxime vom Mehrstoffmotor, die auf der Annahme basierte, im Notfall feindlichen Treibstoff zu verwenden, zu einem überaus dubiosen Konzept machte.

Der so konzipierte Motor bedeutete weitere Verzögerungen in der Entwicklung des Panzers, weil der gesamte Antrieb überarbeitet werden musste. Das Fahrzeug sollte mit diesem Motor 42 km/h erreichen und ein Höchstgewicht von 45,4 Tonnen einhalten (später erhöht auf 51,8 Tonnen).

Um die Entwicklung zu beschleunigen, wurden einige Elemente des neuen Panzers (inklusive Geschützturm-Konzept ohne äußere Blende) an dem sogenannten „40-Tonnen-Centurion“ getestet, auch bekannt als FV4202. Davon wurden 1958 drei Stück gebaut - ein Exemplar befindet sich momentan in Bovington, ein anderes diente als ARV in Bordon und der Verbleib des dritten ist unbekannt. Gerüchten zufolge soll es in Israel gelandet sein, was das dortige Militär jedoch dementiert.

FV4201-Prototypen

Im Jahre 1958 wurde klar, dass sich das Projekt weiter verzögern würde, weil Leyland damit beschäftigt war, die Centurion-Flotte mit 105mm-Geschützen nachzurüsten. Um die Sache etwas zu beschleunigen, wurde die Firma Vickers Armstrong, die bereits für den Geschützturm verantwortlich war, in die Entwicklung des Panzers mit einbezogen. Ein erstes Modell wurde 1959 vorgestellt.

In der Zwischenzeit arbeitete Leyland an der Entwicklung des neuen Motors, wobei 1958 die erste 1-Zylinder-Testversion vorgestellt und ein Jahr darauf von dem TN12-Getriebe gefolgt wurde. Während der Testphase wurden vielerlei Probleme erkannt, deren Lösung mehrere Monate in Anspruch nahm, bis schließlich im September 1959 der erste L60-Motor in einem ersten FV4201-Prototyp eingebaut werden konnte, dem FV4201 P1. Das Fahrgestell des Fahrzeugs wurde ebenfalls im September fertig, nur der Geschützturm wurde zu jenem Zeitpunkt von einer Attrappe ersetzt, deren Gewicht dem des realen Turms entsprach. Und weil der Geschützturm jemanden an die Türme von Windsor Castle erinnerte, nannte man ihn fortan „Windsor-Geschützturm“. Im Vergleich zur früheren FV4202-Version wurde der Geschützturm modifiziert, um die Rohrabsenkung und Hebung von -7,5/+15 auf -10/+20 Grad zu verbessern. Auch die Frontpanzerung wurde effizienter gestaltet und das Geschützturm mit einem IR-Suchscheinwerfer ausgestattet. Unterdessen absolvierte das geschützturmlose Fahrzeug seine ersten Prüfungen.

Chief2

Die vorgenommenen Änderungen senkten das Leistungsgewicht für die geplante L60 Version mit 700 PS auf 15,5 PS/t. Zu diesem Zeitpunkt wurden 14 Prototypen geplant - sechs für Tests des Militärs (mit den Bezeichnungen P1-P6) und sechs für Tests des Kriegsministeriums (genannt W1-W6). Zwei weitere sollten in Vergleichstest mit dem deutschen Leopard eingesetzt werden.

Das Militär startete seine Tests 1960 und machte auch prompt einige Probleme mit dem Motor ausfindig. Zum einen überhitzte er sich schnell, ebenso wie im kleineren Maße das Getriebe. Die Hitzeentwicklung entstand am Auspuffschalldämpfer, der versetzt werden musste, wobei auch am Getriebe Änderungen vorgenommen wurden. Die Lösung dieses und einiger andere Probleme fügte dem Fahrzeug ganze 5 Tonnen Gewicht hinzu. Diese Gewichtszunahme stellte sich als kritisch für die ursprüngliche Horstmann-Aufhängung heraus, die dementsprechend verstärkt werden musste, was neben neuen, größeren Laufrollen das Gewicht nochmals erhöhte. Der Motor wiederum musste auf 500 PS gedrosselt werden, um Vibrationen zu vermeiden, was schließlich dazu führte, dass das Fahrzeug mit einem Leistungsgewicht von 10 PS/t weit unter den ursprünglichen Anforderungen lag. Erst 1961 wurde der Motor auf 550 PS aufgestockt.

Der FV4201 P3 nahm im April 1960 an ersten Feldversuchen teil. Das Fahrzeug sollte ursprünglich mit einem Laser-Entfernungsmesser ausgestattet werden, doch das .50 Kaliber-Maschinengewehr stellte sich als günstiger, ausdauernder und effektiver heraus. Die Briten setzen auch auf eine elektromechanische Turmschwenkung, statt auf Hydraulik, was zwar langsamer und klobiger daherkam, jedoch die Gefahr minderte, die von hydraulischen Systemen ausging, die mit dem hochentzündlichen Aerosol arbeitet, das bei einem Austritt Gefahr für die Besatzung bedeutete. Feuerproben wurden zwischen 1961 und 1962 abgehalten und verliefen überraschend positiv. Die neue 120mm L11-Kanone ist extrem leistungsstark gewesen. Auch wenn die Beweglichkeit immer noch ein ungelöstes Problem war, gingen aus den Tests zwei Prototypen hervor (W1 und W2), die von den Briten unter strikter Geheimhaltung nach Deutschland verfrachtet wurden (einer ging an das 1st Royal Tank Regiment, der andere an das 5th Royal Tank Regiment).

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