Sowohl die Entwicklung, als auch die Dienstzeit des KPz Chieftain Waren ungewöhnlich lang, besonders wenn man bedenkt, dass dieser Panzer in seiner Grundform weder Verbundpanzerung, noch eine Glattrohrkanone verwendete. Die Briten trennen sich nun mal ungern von ihren Geschützen, immerhin setzen sie ihre legendäre 120-mm-Zugrohrkanone bis heute ein. Im Jahre 1969, als mit dem Mk.3 ein Ersatz für den Chieftain Mk.2 vorgestellt wurde, war es immer noch ein weiter Weg bis zur ultimativen massentauglichen Variante des Fahrzeugs.
Das Modell Mk.3 verfügte unter anderem über einen leistungsstärkeren Motor, bzw. eine neue Version des ursprünglichen Mehrstoffmotors Leyland L60, die darauf getrimmt wurde, mehr Pferdestärken zu produzieren. Die erhöhte Leistung wurde jedoch auf Kosten der Zuverlässigkeit erreicht. Der Panzer brachte den L60 bereits vor der Aufwertung an sein Limit und die mit einem Gewichtsanstieg auf 53 Tonnen einhergehende Leistungssteigerung des Mk.3 änderte daran so gut wie nichts. Der Motor hatte mit folgenden Problemen zu kämpfen:
- Brüchige Zylinderlaufbuchsen
- Brüchige Zylinderdichtung
- Anfälliger Kolbenring
- Brüchiges Getriebsgehäuse
Diese Probleme erregten das Interesse der Öffentlichkeit und wurden in einem eigens dafür eingerichteten Ausschuss des Unterhauses diskutiert, was zu einer Serie von Verbesserungen und Upgrades führte, die Teil eines Programms namens Totem Pole (bzw. Exercise Tote Pole) waren.
Dieses großangelegte Programm wurde am Ende in drei Bereiche aufgeteilt: X, Y und Z. Im Bereich X befasste man sich mit dem neuen, optimierten Sichtsystem, im Bereich Y mit automatischen Komponenten und dem Kommandantenkontrollsystem (der Kommandant war auf einmal in der Lage, das Hauptgeschütz zu bedienen), der Bereich Z konzentrierte sich auf Verbesserungen des Motors und des Getriebes. In diesem Artikel wollen wir diesen Teil der Entwicklung nicht detailliert ausführen, es soll lediglich angemerkt werden, dass eines der Ergebnisse in der Aufwertung der Mk.2- und Mk.3-Modelle zum Standard der seinerzeit gängigsten und am meisten produzierten Variante bestand, dem Chieftain Mk.5.
Die ersten Mk.5-Panzer entstanden im Jahr 1972. Interessanterweise hieß das Nachfolgemodell des Mk.3 nicht Mk.4 – diese Bezeichnung war für die beiden modifizierten Mk.2-Varianten reserviert, die auf den israelischen Markt zugeschnitten waren und gebaut wurden, bevor der Export von Chieftain-Panzer an Israel im Dezember 1969 widerrufen wurde. Diese modifizierten Varianten wurden daraufhin bei diversen Testläufen eingesetzt, darunter in den Vereinigten Staaten.
Auch das Modell Mk.5 verfügte über einige Verbesserungen, die auf israelischen Testreihen der späten 1960er-Jahre basierten. Und obwohl die Briten den Israelis das Recht verwehrten, die Chieftain-KPz zu erwerben, boten sie die auf israelischen Anregungen basierenden Modelle ironischerweise Israels Feinden Iran und Lybien zum Kauf an, um dene eigenen Einfluss in der Region zu stärken.
Der Mk.5 wurde zu dem am meisten produzierten Chieftain-Modellen, an dessen Standard auch die älteren Varianten angepasst wurden und das als Basis für nachfolgende Modelle diente. Er verfügte über eine Reihe von Verbesserungen, die insbesondere den Antrieb betrafen, darunter:
- Eine neue 720-PS-Variante des L60-Motors namens Mk.7A
- Ein robusteres Getriebe
- Optimierte Abgasanlage
- Verbessertes Luftsäuberungssystem
- Verbesserte Motor- und Getriebeabdeckung
Sowie diverse kleinere Upgrades, dank derer das mittlerweile 54 Tonnen schwere Fahrzeug seine Geschwindigkeit von ca. 42 km/h aufrechterhalten konnte.
Die Panzerung des je nach Variante 54 bis 55 Tonnen schweren Fahrzeugs bestand immer noch aus Stahl. Die eigentliche Panzerungsstärke und die Schutzwerte des Chieftain sind nicht öffentlich bekannt. Im Internet und in diversen Büchern kursieren viele Schätzungen, während die realen Angaben strenger Geheimhaltung unterliegen. Aus diesem Grund ist die Panzerungsstärke des Chieftain offiziell immer noch ein Mysterium. Schwedische Archivquellen aus den 1960er-Jahren schätzen die effektive Panzerungsstärke auf 183 mm bis 366 mm in bestimmten Bereichen. Eine deutsche Militäranalyse der Panzerung eines frühen Chieftain-Modells benennt den effektiven Wert mit 262 mm.
Der fehlenden Angaben ungeachtet ist die Panzerung für ihre Zeit ausreichend gewesen, ebenso wie die Feuerkraft des Panzers. Die 120-mm-Zugrohrkanone L11A5 hatte besonders mit der neuen aufgewerteten Munition ansehnliche Schlagkraft. Das Geschütz besaß eine Schutzummantelung und war voll stabilisiert. Das Fahrzeug führte 64 Projektile mit sich. Weitere Verbesserungen umfassten:
- Verbessertes Kommandantenvisier
- Kommandantenkuppel mit aufgesetztem Maschinengewehr
- ABC-Schutzsystem
Die Produktion begann im März 1972 und brachte im Verlauf der Jahre die unterschiedlichsten Varianten hervor (so wie den Mk.5/3 mit optimiertem Feuerkontrollsystem). Ab dem Modell Mk.5/5 konnte die Kanone auch extrem starke APFSDS-Runden verschießen.
Der Mk.5 wurde auch im Ausland vermarktet: Eine modifizierte Version namens Shir mit 1200 PS Condor CV-12TCA-Motor wurde an den Iran verkauft (insgesamt kaufte der Iran 707 Chieftains in unterschiedlicher Ausführung) und im Jahre 1976 erwarb Kuwait 165 Mk.5/2 Chieftains. Insgesamt 274 „Shirs“ aus dem Iran-Programm, die wegen des Ausbruchs der iranischen Revolution nicht ausgeliefert werden konnten, wurden 1979 an Jordanien veräußert. Diese Modelle besaßen 1200-PS-Condor-Motoren, eine neues TN-37-Getriebe und Feuerkontrollsysteme von Marconi – und sie sind etwas länger gewesen. Die Jordanier tauften den Panzer in Khalid um und stellten ihn ab 1981 in Dienst. Der letzte ausländische Betreiber des Chieftains, Oman, erwarb 1984-1985 insgesamt 27 Fahrzeuge.
Ungeachtet seiner Hauptfunktion als Gegengewicht zur sowjetischen Panzerpräsenz in Ländern des Warschauer Pakts, musste der Chieftain in Europa glücklicherweise keinen einzigen Schuss abgeben. Zum ersten Kampfeinsatz kam es während des Iran-Irak-Kriegs, wobei die Ergebnisse eher enttäuschend waren: Sowohl die iranischen, als auch die irakischen Besatzungen waren schlecht trainiert und wussten ihre Fahrzeuge nicht richtig einzusetzen. Man gewann trotzdem wichtige Erkenntnisse, zum Beispiel die Tatsache, dass der T-62 unter gewissen Umständen den Panzer des Chieftain durchbrechen konnte. Etwa 50 Chieftains wurden von der irakischen Armee erbeutet und später dem jordanischen Königreich von Saddam Hussein als Geschenk überreicht zu werden. Diese höchst unwillkommene Gabe verhöhnte die Jordanier, die stets versucht hatten, in dem Konflikt größtmögliche Neutralität zu wahren (und selbst zu Abnehmern des Chieftains gehörten). Im Endeffekt wurden diese „Geschenke“ als Ersatzteillieferanten für die jordanischen Khalids verwendet. Der letzte Kampfeinsatz des Chieftain ist die Verteidigung Kuwaits vor irakischen T-72-Einheiten während der Invasion 1991 gewesen. Auch wenn die Quellen spärlich sind, soll sich der Chieftain gegen die sowjetischen Panzer gut geschlagen und einige von ihnen außer Gefecht gesetzt haben.
In Großbritannien wurden die Mk.2- und Mk.3-Varianten schrittweise auf den Mk.5-Standard gebracht, um anschließend auf den Mk.5/4-Standard mit optimierter Munitionslagerung, einem TSL-Laserentfernungsmesser, einer modifizierten Kommandantenkuppel und einer vom Mk.5/3 stammenden verbesserten FLA aufgewertet zu werden. Diese modifizierten Fahrzeuge wurden Chieftain Mk.6, Mk.7, Mk.8 und Mk.9 genannt. Jedes Modelle besaß eigene Untervarianten mit unterschiedlichen Upgrades, die wir alllesamt überspringen wollen, um uns direkt dem Chieftain Mk.10 zuzuwenden – der ersten Variante, die über die bahnbrechende Stillbrew-Panzerung verfügte.
Im Grunde stellte der Chieftain ungeachtet seiner bis dahin umgesetzten Kampfwertsteigerungen eine Konstrunktion der 1950er-Jahre dar, inklusive aller damit zusammenhängenden Schwachstellen. Seine Panzerung war darauf ausgelegt, kinetischen 100-mm-Unterkaliber-Geschossen die Stirn zu bieten, wie sie von sowjetischen T-54 oder T-55 abgeschossen wurden. Gegen andere Geschosse war sie so gut wie machtlos. Im Jahr 2016 wurde in den Archiven des Britischen Verteidigungsministeriums ein Dokument entdeckt, in dem offen zugegeben wurde, dass die Panzerung des Chieftain anfällig für 115-mm-Wolframgeschosse des T-62 und 125-mm-Stahlgeschosse des T-72 gewesen ist. Das machte die Panzerung in den 1980er-Jahren völlig obsolet, was von den Erfahrungen des Iran-Irak-Krieges bestätigt wurde, in dessen Verlauf iranische Chieftains von T-62-Geschossen durchsiebt wurden.
Ein weiteres Problem stellte die zunehmende Verbreitung sowjetischer Panzerabwehr-Lenkflugkörper dar. Die Briten lernten ihre Lektion aus dem Jom-Kippur-Krieg von 1973, indem sie die Verluste der israelischen Panzerkräfte studierten, deren amerikanische Pattons und britischen Centurions durch Salven von Maljutka-ATGM dezimiert wurden. Als Lösung für den Chieftain wurde ein Zusatzpanzerungspaket ins Gespräch gebracht, das seinen Schutz insbesondere gegen HEAT-Geschosse erhöhen würde.
Und genau das tat die Stillbrew-Panzerung, deren Entwicklung in den 1970er-Jahren in Chertsey begann. Die Panzerung bestand aus einer zusätzlichen Stahlplatte, die mit mehreren Lagen von Hartgummi und dünneren Metallplatten unterfüttert war. Sie wirkte wie eine nicht explosive Reaktivpanzerung – beim Aufschlag würde sich das Gummi ausweiten und die Stahlplatte gegen das Projektil drücken. Gleichzeitig würde das Gummi die durch HE- und HESH-Geschosse verursachten Erschütterungen abschwächen.
Das Programm war ein Erfolg und auch wenn die genauen Werte immer noch geheimgehalten werden, scheint das Panzerungspaket ausreichend gewesen zu sein, um dem Panzer genug Schutz gegen sowjetische 125-mm-Wolframgeschosse zu bieten, bei einem geschätzten Durchschlagswert von 450 mm. In anderen Worten erhöhte das Panzerungspaket den Frontalschutz des Fahrzeugs um circa 50 Prozent, während sich das dadurch erhöhte Gewicht nicht negativ auf die Mobilität auswirkte.
Die ersten Pakete wurden zwischen 1984 und 1985 hergestellt und 1986 an den in Westdeutschland stationierten Chieftains installiert. Im Gegensatz zu den Mk.5-Chieftains wurden die Stillbrew-Chieftains vor ihrer Ausmusterung im Jahr 1985 zu keinem Zeitpunkt im Kampf eingesetzt – zum Glück, muss man sagen, weil dieser Einsatz in Europa stattgefunden hätte.
Bei Armored Warfare ist der Chieftain Mk. 10 ein Kampfpanzer des 5. Tiers. Ähnlich wie sein Vorgänger, das Modell Mk.2, setzt er auf Schutz und Feuerkraft statt auf Mobilität.
Ungeachtet des weit verbreiteten Einsatzes von Zusatzpanzerung und ERA-Sets auf dem Tier, machen die britischen HESH-Geschosse immer noch kurzen Prozess mit den meisten leichteren Fahrzeugen. Der Schutz in der Basisausführung ist dagegen relativ schwach und die Panzerung macht erst dann wirklich etwas her, wenn das Upgrade zur Stillbrew-Panzerung erworben wird. Ohne dieses Upgrade bleibt der Mk.10 auf dem Niveau des Mk.5.
Wie bereits in dem Artikel zum Mk.2 beschrieben, macht der Chieftain eine gute Figur, wenn seine dicke Turmpanzerung zu Abwehrzwecken eingesetzt wird. Seine Mobilität lässt dagegen, wie imrichtigen Leben, einiges zu Wünschen übrig. Besonders die Höchtgeschwindigkeit gehört zu den niedrigsten bei Armored Warfare, was den Panzer ungeeignet für schnelle und offensive Operationen macht. Die beste Taktik für jedes Chieftain-Modell besteht darin, die Wanne solange wie möglich in Deckung zu halten.
Wir sehen uns auf dem Schlachtfeld!