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Gängige Panzermythen

Bevor wir uns den gängigsten Panzermythen zuwenden, wollen wir Tovarish danken, der einen Thread zu diesem Thema unterhält, sowie Nemo für seine hilfreichen Kommentare!

Lange Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist die Beschäftigung mit Panzerfahrzeugen auf eine kleine Gruppe von Historikern und Forschern beschränkt gewesen. Seit dem Aufkommen des Internets und panzerorientierter Computerspiele hat sich das Interesse an diesem Thema jedoch immer weiter ausgeweitet.

Mythos Nr. 1: Gezogene Kanonen sind präziser als Glattrohrkanonen

Dieses gängige Missverständnis beruht auf einigen historischen Begebenheiten. Die frühen Glattrohrkanonen waren extrem unpräzise, da die Geschossrotation, die den modernen Modellen ihre Präzision und Drehung verleiht, erst durch das Entfernen des Geschossdralls erreicht wurde. Neue Typen von Geschossen mussten entwickelt werden, wie flügelstabiliserte, panzerbrechende Projektile, die ihre Stabilität ihrer besonderen Form eines Pfeils mit Federn verdanken. Nicht alle legten einen perfekten Start hin - das panzerbrechende, flügelstabilisierte Treibspiegelgeschoss M829 (120 mm) machte in der Produktionsphase erhebliche Probleme. Zuverlässige Präzisionswerte wollten sich einfach nicht einstellen, bis man das Problem in verglühten Federn lokalisierte und löste, indem sie scharfe Kanten verpasst bekamen.

Moderne APFSDS-Projektile, die in Glattrohrkanonen verwendet werden, nutzen die Gleitbandtechnik, bei der sich die Sprengköpfe langsam im Rohr drehen, weshalb Glattrohrkanonen, die APFSDS-Projektile verschießen, nicht präziser sind, als gezogene Kanonen.

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M60A3 Patton armed with a 105mm rifled gun

Mythos Nr. 2: Kampfpanzer sind völlig immun gegen Maschinenkanonenfeuer

Auch wenn Kampfpanzer in der Tat sehr dicke Frontalpanzerung besitzen, sind ihre Seiten eher dünn gepanzert, um das Gesamtgewicht niedrig zu halten. Nur die schwersten und am besten geschützten Panzer von der Art des Challenger 2, die über ein TES- oder Merkava-Set verfügen, halten seitlichem Maschinenkanonenfeuer stand. Während der Testläufe des BMP-2 fand man heraus, dass 30-mm-Maschinenkanonen sowjetischen KPz großen Schaden zufügen konnten und bei einer anderen Gelegenheit sind mit Maschinenkanonen bestückte Bradleys in der Lage gewesen, ältere irakische Panzer auch frontal zu zerstören. Der Mythos von der exzellenten Seitenpanzerung entstammt teilweise dem Sicherheitsgefühl der Mannschaften in außergewöhnlich gut konstruierten Panzern wie dem Abrams, dessen ausgefeilte Innenkonstruktion die Seitenpanzerung zwar nicht dicker, dafür aber die komplette Zerstörung des Panzers fast unmöglich macht.

Ähnlich verhält es sich mit dem Mythos, Fahrzeuge mit Verbundpanzerung im Frontalbereich wären automatisch auch an Seiten und Heck mit dieser Art Panzerung bedeckt. Das ist nicht der Fall - meistens besteht die Seiten- und Heckpanzerung solcher Fahrzeuge aus einfachen Stahlplatten, auch wenn einige Modelle mit Verbundpanzerung an den Seiten existieren (meist als Zusatzpanzerung).

Mythos Nr. 3: Die Kanonenblende ist der am besten Geschützte Bereich des Turms

Dieser Mythos basiert auf Panzerdesigns aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, als die Ummantelung in der Tat der massivste Teil der Turmfront gewesen ist. An manchen älteren Fahrzeugen überlappte sich die Kanonenblende teilweise mit der Frontalpanzerung, was relativ kleine Bereiche der Turmfront extrem gut schützte. Moderne Panzer mit Geschütztürmen aus Verbundpanzerung besitzen in der Regel keine massiven Kanonenblenden.

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Chieftain tank frontal turret and mantlet

Mythos Nr. 4: Russische Panzer sind eine Katastrophe, weil hunderte von ihnen im Nahen Osten zerstört wurden, wogegen der Abrams der ultimative KPz ohne einen einzigen Verlust ist

Dieser Mythos ist eine Zeit lang sehr verbreitet gewesen und taucht immer wieder auf. Während der Abrams in der Tat ein außergewöhnliches Fahrzeug ist, beruht sein Erfolg im Irak auf der Tatsache, dass er von der mächtigsten Armee der Welt im Zuge einer Großoffensive eingesetzt wurde. Seine Gegner sind veraltete sowjetische und chinesische Modelle aus den 1950-1960er Jahren gewesen und die irakische Armee war im Vergleich zur amerikanischen schlecht ausgebildet, auch wenn sie sich in der Region durchaus sehen lassen konnte. Was passiert, wenn man schlecht trainierte Truppen mit modernen, hochtechnologischen Fahrzeugen ausrüstet, wurde in der jüngsten Zeit durch Verluste der irakischen Armee im Kampf gegen den Islamischen Staat (der sogar einige funktionierende Abrams-Panzer kapern konnte, die später von den Amerikanern zerbombt wurden) und die saudischen Verluste im Jemen demonstriert.

Mythos Nr. 5: Manche moderne Panzer sind schlecht durchdacht, weil ihre Türme offensichtliche Schussfallen besitzen

Zur Erklärung vorweg: Eine Schussfalle ist ein schlecht konzipierter Bereich der Panzerung, der panzerbrechende Geschosse zu dünner gepanzerten Bereichen des Fahrzeugs lenkt, statt sie von Fahrzeug wegprallen zu lassen. Dieses Konzept lässt sich natürlich nicht auf moderne APFSDS-Projektile übertragen, die extrem viel Energie freisetzen und sich in ihrer Form zu sehr von alten AP-Projektilen unterscheiden, um auf diese Weise abzuprallen. Sie bleiben entweder in der Panzerung stecken - oder schlagen durch. Auf HEAT-Projektile trifft die Hypothese theoretisch zu, doch die Schussfallen sind meist so kleinflächig, dass ein direkter Treffer einem Wunder gleichkäme.

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German Leopard 2A5, the lower part of the frontal turret seemingly a shot trap

Mythos Nr. 6: Sowjetische Autolader können Besatzungsmitgliedern den Arm abreißen, wenn diese nicht aufpassen

Das ist kompletter Unsinn, der aus einer Zeit stammt, in der die Ladeautomatik noch in den Kinderschuhen steckte. Die genauen Ursprünge dieses Mythos sind nicht bekannt (wahrscheinlich handelte es sich um vereinzelte Vorfälle), während die Ladeautomatik in Wirklichkeit ziemlich sicher ist und die gefährlichen Komponenten gut abgedeckt werden. Man müsste es schon sehr darauf absehen wollen, um einen derartigen Unfall zu provozieren (zum Beispiel durch die Entfernung von Sicherheitsabdeckungen). Im Gegensatz zur gängigen Meinung haben sich die Entwickler russischer Panzerfahrzeuge sehr wohl um die Sicherheit ihrer Mannschaften gekümmert und achteten auf potenzielle Gefahrenbereiche, wobei es bei Prototypen natürlich zu Vorfällen kam, wie man sie in diesem Stadium der Entwicklung nicht ausschließen kann.

Mythos Nr. 7: Chinesische Panzer sind allesamt Kopien sowjetischer Fahrzeuge

Nicht wirklich. Es stimmt zwar, dass der Type 58 und der Type 59 originalgetreue Kopien der mittleren Panzer T-34 und T-54 gewesen sind, die seit den 1960er-Jahren produzierten Upgrades aber waren größtenteils heimische Entwicklungen. Es lässt sich nicht verleugnen, dass einige Modelle schwer von ausländischen Fahrzeugen inspiriert sind, doch das lässt sich auch auf andere Panzerbaunationen übertragen. In der heutigen globalisierten Welt beeinflusst jeder jeden und die neuesten chinesischen Kampfpanzer gehören zu den originellsten Designs der Welt.

Mythos Nr. 8: Der ursprüngliche Spitzname des M113 lautete „Gavin“ und den M103 nannte man „Longstreet“

Nein. Der erste Name geht auf das Konto eines Internet-Users und macht aktuell als Witz die Runde in westlichen Panzer-Communities. Der zweite ist kompletter Unsinn, der ebenfalls der Spieler-Community entspringt und es sogar in den Wikipedia-Eintrag geschafft hat, um bald drauf wieder entfernt zu werden.

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M103 Heavy Tank

Mythos Nr. 9: Die untere Wannenfrontplatte ist die universelle Schwachstelle moderner Panzer

Wieder einmal basiert dieser Mythos auf den Panzern der alten Zeit, auf die diese Aussage tatsächlich zutraf, da die Wahrscheinlichkeit, dass die untere Platte getroffen wird, besonders auf lange Distanz minimal war (im Gegensatz zur oberen Platte oder der Turmfront). An modernen Kampfpanzern (vor allem an westlichen Modellen) ist die untere Frontplatte meist die am dicksten gepanzerte Stelle.

Es geistern natürlich noch weitere Mythen in der Weltgeschichte herum, den wir uns in einem weiteren Artikel widmen werden. Wir sehen uns auf dem Schlachtfeld!

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