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Panzer und Berge

Es gibt mehr als genug Umfelder, die weit davon entfernt sind, als idealer Einsatzort für Panzer zu dienen. Die kalten Steppen Russlands z. B. lassen Motoren einfrieren, während die heißen Wüstenregionen Afrikas sämtliche externen Bauteile mit Staub überziehen, was selbst den gepflegtesten Fahrzeugen irgendwann den Gar ausmacht. Nur wenige Einsatzbereiche sind Panzern gegenüber so aggressiv, wie hohe Bergkämme. In dieser Umgebung erweist sich der Leichtpanzer als ideale Wahl.

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Tanque 39 in Prag

Der Einsatz von Leichtpanzern in Bergregionen geht zurück auf den Zweiten Weltkrieg wo diese Vorgehensweise mit vielen Beispielen belegen lässt. In diesen Fällen mussten Panzer aufgrund taktischer und strategischer Anforderungen bei diversen Konflikten (wie beispielsweise zur Eliminierung von Partisanen) in unzugänglichen Gegenden zum Einsatz kommen - nicht, weil man Fahrzeuge haben wollte, die in erster Linie in diesen Regionen einsetzen konnte. Es gibt jedoch einige Ausnahmen, in denen Länder speziell Panzer erwarben, die in Bergregionen genutzt werden sollten. Eines dieser Beispiele stellt das peruanische Militär mit seinen Tanque-39-Leichtpanzern.

Einen Teil des peruanischen Territoriums macht eine der größten Bergketten der Welt aus: die Anden. Mit ihren bis zu 7.000 Meter hohen Gipfeln verfügt Peru über extrem unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten und Klimaeigenschaften. Damit die Panzer der peruanischen Armee auch unter solch außerordentlichen Bedingungen operieren können, muss eine Vielzahl an Anforderungen erfüllt werden:

  • Die Panzer mussten relativ klein sein, die Bergpässe sind meist sehr eng und große Fahrzeuge wären hier ungeeignet
  • Die Panzer mussten relativ leicht sein, um auch schweres Gelände zu meistern
  • Die Motoren mussten darauf eingestellt sein, in großen Höhen eingesetzt zu werden. Hierfür war es nötig die Luftansaugung und Kühlmechanismen entsprechend anzupassen. Der niedrigere Siedepunkt in den Bergen verringert die Effizienz der Motorkühlung, das Fahrzeug hat außerdem Probleme mit der geringen Sauerstoffsättigung in der Luft

Andere Bedingungen waren eher regionalspezifischer Art. Seit dem 19. Jahrhundert und der Zeit von Simon Bolívar kam es zwischen Peru und Ecuador zu Gebietsstreitigkeiten um mehrere Provinzen, die sich schließlich zu mehreren bewaffneten Konflikten auswuchsen. In den meisten Auseinandersetzungen wurden hauptsächlich Luftstreitkräfte eingesetzt, der Peruanisch-Ecuadorianische Krieg von 1941 (auch bekannt als Guerra del 41) sah auch Leichtpanzer im Einsatz, was sich zu Gunsten Perus auswirkte. Dieser sich im peruanischen Einsatz befindliche Panzer, der aus der weit entfernten Tschechoslowakei importiert wurde, wurde auch Tanque 39 genannt, die Werkbezeichnung lautete jedoch LTP.

Tanque 39

Die Bezeichnung LTP steht für Lehký Tank, Peruánský (Leichtpanzer, peruanisch) und wurde von ČKD/Praga speziell für die Anforderungen der peruanischen Armee entwickelt. Er basierte auf einem anderen Leichtpanzer, dem TNH. Beim TNH handelte es sich um ein relativ erfolgreiches Modell, das von 1935 bis 1937 für den Iran gebaut wurde und dessen Erfolg weitere potenzielle Käufer anlockte. Darunter auch Peru.

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TNH Leichter Panzer für Iran

Die Vertragsverhandlungen des Deals dauerten von 1936 bis 1938 und wurden von dem aus Peru stammenden Col. José Tamayo geführt. Das wichtigste Anliegen der peruanischen Armee bestand darin, dass die Fahrzeuge unabhängig und problemlos in großen Höhen operieren konnten. Der niedrige Luftdruck bei großen Höhen stellte ein ernsthaftes Problem dar.

Um dieser Problematik zu begegnen erhöhten die Ingenieure von Praga die Luftansaugung des Motors und setzten auf bessere Kompressionsverhältnisse. Das Ergebnis war gut, das Fahrzeug konnte in Höhen von bis zu 4500 Metern über dem Meeresspiegel eingesetzt werden, ohne dass es zu Leistungseinbußen kam. Das Fahrzeug musste zudem leicht sein, über angemessene Feuerkraft verfügen und ausreichenden Schutz bieten.

Natürlich kam die Frage auf, gegen wen oder was das Fahrzeug eingesetzt werden sollte. Peru brauchte keinen Kampfpanzer, der es mit einer Vielzahl eindringender Panzer aufnehmen musste, sondern ein agiles Fahrzeug mit ausreichend Feuerkraft, um feindliche Infanteriestützpunkte auszuheben und für die Aufstandsbekämpfung eingesetzt zu werden.

Zu diesem Zeitpunkt verfügte Ecuador noch über keine Panzer (die ersten Marmon-Herrington-Tanketten wurden erst 1942, ein Jahr nach dem Krieg, erworben), dieser einfache Panzer, der leichten Panzerabwehrangriffen und schwerem Maschinengewehrfeuer standhielt, reichte demnach vollständig aus. Der LTP-Leichtpanzer wog 7,3 Tonnen und besaß eine 25 mm dicke Frontalpanzerung. Er wurde von einem 125 PS starken Scania Vabis-Motor angetrieben, verfügte über eine Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h, eine Reichweite von 190 Kilometern und war mit einer 37-mm-Kanone ausgestattet.

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LTP Prototyp

Nach beinahe zwei Jahre andauernden Verhandlungen wurde schließlich der Kauf von 25 Fahrzeugen vereinbart, sollten die Tests mit dem Prototyp erfolgreich verlaufen. Der Prototyp wurde in Lima unter der Leitung von Captain Hector Cornecjo (technischer Leiter) und seinen beiden Assistenten (einer von ihnen gebürtiger Amerikaner) offiziell an Peru übergeben.

In den darauffolgenden Monaten prüfte man den Prototyp erfolgreich auf Herz und Nieren, was ihm unter den peruanischen Soldaten einen guten Ruf einbrachte. In den Archiven von ČKD gibt es Aufzeichnungen über einen Zwischenfall, der sich bei 3700 Metern Höhe im September 1938 in den Bergen ereignete, bei dem ein Fahrzeug von der Straße geriet, 5 Meter tief abstürzte und auf dem Dach zum Liegen kam.

Der Panzer erwies sich jedoch als so robust, dass der Schaden nur geringfügig ausfiel und das Fahrzeug von den ČKD-Ingenieuren vor Ort über Nacht repariert werden konnte. Der Testlauf konnte daher schon am nächsten Tag fortgesetzt werden. Dieser Vorfall war Ursprung einer richtiggehenden Legende, die sich um das Fahrzeug rankt. Die Geschichte wurde so häufig und von so vielen Menschen erzählt, dass es irgendwann hieß, der Panzer sei nach dem Sturz wieder zurückgekippt, um seine Fahrt ohne Reparaturen fortzusetzen.

Auch wenn dies nicht der Wahrheit entsprach, trugen diese Geschichten in Südamerika zu dem ausgezeichneten Ruf der tschechoslowakischen Panzer bei.

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LTP in Peru

Als die Tests beendet wurden, kam es in der Tschechoslowakei gerade zur Mobilmachung und die Fahrzeuge, die man für Peru herstellte, wurden von der tschechoslowakischen Armee konfisziert. Nachdem die Mobilmachung aufgehoben wurde, wurden die Panzer zurückgegeben, sodass im November 1938 schließlich die ersten 6 in Serie gefertigten Fahrzeuge nach Peru ausgeliefert werden konnten. Insgesamt wurden von ihnen 24 Stück hergestellt, der letzte von ihnen erreichte Peru am 27. Februar 1939.

Es ist zu erwähnen, dass Peru neben den Panzern bei Škoda auch große Mengen Ersatzteile, Munition (und Waffenkomponenten), Praga T-6 Artillerietraktoren, eine auf einem LKW-Anhänger montierte mobile Werkstatt, ein Praga AV-Dienstwagen und ein Praga RV-Unterstützungsfahrzeug orderte.

Die Panzer wurden erstmals 1939 gegen eine Gruppe eingesetzt, die einen Putschversuch unternahm. Ihr Debut war ein voller Erfolg und schon im Juni wurden sie der Öffentlichkeit während einer Militärparade in Lima vorgestellt.

Guerra del 41

Während des Peruanisch-Ecuadorianische Krieges im Juli 1941 wurden 12 der Fahrzeuge erfolgreich gegen die ecuadorianischen Streitkräfte eingesetzt. Der Krieg selbst dauerte vom 5. bis zum 31. Juli 1941. Das peruanische Militär verfügte anfangs über 11.000 bis 13.000 ausgebildete Soldaten (einige Quellen gehen sogar von 20.000 aus), während die ecuadorianische Armee nur ca. 1400 Soldaten besaß und zu Beginn des Konflikts über keine schweren Waffen verfügte. Von den 1400 Männern waren:

  • 800 ausgebildete Soldaten der Grenzeinheit "El Oro" und anderer nahegelegener Militäreinheiten
  • 500 Carabinieros (relativ schlecht ausgebildete regierungsfreundliche Militärs)
  • 100 Freiwillige (ohne Ausbildung)

Es gibt zwei verschiedene Aussagen zum Ursprung des Konflikts. Den peruanischen Quellen zufolge überquerten ecuadorianische Einheiten den Fluss Zarumilla (der als natürliche Grenze fungiert) und griffen eine peruanische Grenzkontrolle in Aguas Verdes an. Die peruanischen Streitkräfte schlugen die Eindringlinge zurück und die Kämpfe entlang des Flusses wurden immer heftiger, bis schließlich auch die peruanische Luftwaffe involviert wurde.

Colonel Louis A. Rodriguez, dem Kommandanten der ecuadorianischen Armee zufolge entdeckten ecuadorianische Soldaten eine peruanische Patrouille und einige Zivilisten dabei, wie sie das ecuadorianische Ufer vom Pflanzenbewuchs befreiten. Die Peruaner eröffneten daraufhin das Feuer, wobei einer der ecuadorianischen Soldaten getötet wurde und ein heftiges Feuergefecht zwischen den Fronten entbrannte.

Völlig gleich, welche Version nun stimmt, die besser bewehrten und zahlenmäßig überlegenen Einheiten Perus drängten die Ecuadorianer rasch vom Flussufer zurück, während die peruanische Luftwaffe gleichzeitig mehrere Städte und Dörfer Ecuadors angriff.

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Tanque 39

Die peruanischen Streitkräfte wurden durch die Leichtpanzer maßgeblich in ihrem Kampf unterstützt, da die Ecuadorianer dem nichts entgegenzusetzen hatten und die Panzer selbst unwegsames Terrain mühelos meisterten. Als der Krieg Bereiche mit besserer Infrastruktur erreichte, wurde der Kampf ausgeglichener, dennoch endete der Konflikt in einem Sieg für die Peruaner. Infolgedessen nahm Peru die gesamte Provinz "El Oro" sowie einige Dörfer in der Loja-Provinz ein, woraufhin die Ecuadorianer sich gezwungen sahen, einen Waffenstillstand zu erbitten. Die Niederlage führte in Ecuador zu massiven wirtschaftlichen Problemen und legte das Fundament für zahlreiche zukünftige Konflikte. Es sollte Jahrzehnte und zwei weitere Kriege erfordern, bis der Grenzkonflikt schließlich im Jahre 1998 beigelegt werden konnte.

Während des Krieges fielen die Panzer durch eine herausragende Leistung auf, weshalb Peru 1946 und damit nach dem zweiten Krieg weitere Fahrzeuge bei ČKD orderte, dieser Auftrag wurde aber nie erfüllt. 1950 wurden lediglich einige Ersatzteile an die peruanische Armee verkauft.

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Tanque 39

Die Panzer blieben ganze drei weitere Jahrzehnte im Dienst und kamen in den 1970er Jahren bei der Bekämpfung der maoistischen Rebellen der Bewegung "Leuchtender Pfad" zum Einsatz. Die letzten verbliebenen funktionsfähigen Fahrzeuge wurden bis 1988 zu Patrouillezwecken in der Nähe von Callao eingesetzt. Zu dieser Zeit waren die Panzer bereits ziemlich heruntergekommen und schließlich aus dem Dienst genommen und zu Militärdenkmälern umgewandelt. Einer der Panzer wurde 2012 an die Tschechische Republik zurückverkauft und wird aktuell vollständig restauriert.

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