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Unnötige Verluste

Wenn wir an Panzerfahrzeuge denken, denken wir selten an etwas wirklich Positives. Schließlich sind sie Kriegswerkzeuge, erschaffen, um den Feind auf die effektivste Art zu töten. Aber selbst wenn wir ihren dunklen Zweck berücksichtigen, gibt es einige noch dunklere Flecken in der Geschichte der Panzerfahrzeuge.

Eine der besonders bitteren Tragödien, die sich in der Geschichte abgespielt haben, ist der Missbrauch von Panzern durch Zivilisten. Der bekannteste Fall ist der berüchtigte Panzer-Amoklauf, der 1995 in den Vereinigten Staaten von Amerika stattfand. Ein verstörter Mann namens Shawn Nelson stahl einen M60 Patton Panzer der Nationalgarde aus einem schlecht bewachten Hof und veranstaltete einen zwanzigminütigen Amoklauf durch die Vororte von San Diego. Dabei zerstörte er Autos, Zäune und alle anderen Hindernisse, die ihm im Weg standen. Glücklicherweise wurden während des Vorfalls keine Passanten verletzt.

Die Jagd endete abrupt, als Nelson auf eine Schnellstraße fuhr und den 57-Tonnen-Panzer in Hindernisse auf der Mitte der Straße steuerte und andere Fahrer davon abhielt, auf die gegenüberliegende Fahrbahn zu wechseln. Sein Fahrzeug steckte fest und konnte diese Hindernisse trotz mehrfacher Versuche nicht durchbrechen. Nelson hatte die Besatzungsluken nicht verriegelt, sodass einige Polizeibeamte in den Panzer klettern konnten und Nelson erschossen.

Die Verfolgungsjagd wurde im Fernsehen live übertragen. Viele Journalisten publizierten später darüber und rätselten über die Motivationsgründe für Nelsons Tat. Ihre Nachforschungen enthüllten das Leben eines Mannes, der tief in seine persönlichen Probleme verstrickt war und keinen Ausweg daraus sah. Die Verfolgungsjagd wurde später in einem Song von Megadeath verewigt. Dieser Fall ist sehr bekannt und gut dokumentiert. Andere sind dies jedoch nicht.

Solche traurigen Geschichten gibt es natürlich nicht nur in den USA. Sie passierten auch auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs - mit einem entscheidenden Unterschied. Die staatlich kontrollierten Medien berichteten nicht über solche Vorfälle. Dadurch blieben sie bis zur Öffnung der Militärarchive nach dem Zusammenbruch des Kommunismus mehr oder weniger unbeachtet. In den 1950ern und 1960ern wurden in der Tschechoslowakei desöfteren Panzerfahrzeuge gekidnappt, um aus dem "Paradies der Arbeiter" zu entfliehen. Manche dieser Versuche waren erfolgreich aber die meisten waren es nicht.

Ein anderer Grund dieser Vorfälle war die schwierige Situation beim Militär. In der gesamten sozialistischen Ära wurde das Militär aller Staaten des Warschauer Paketes durch Wehrpflichtige gebildet. Alle wehrpflichtigen Männer mussten zwei Jahre lang einen verpflichtenden Wehrdienst leisten. Und obwohl es in der Realität einige Möglichkeiten gab, diese "Ehre" zu umgehen, fanden sich jährlich Tausende von jungen Männern in diesem unfreiwilligen Dienst für ihren Staat wieder. Oftmals schikaniert und gequält von den Dienstälteren, Ranghöheren oder Berufssoldaten (die gesamte Armee der Tschechoslowakei umfasste 200 000 Männer, von denen lediglich 61 000 Berufssoldaten waren).

Die feindliche Umgebung führte zu einer großen Anzahl an Selbstmorden oder Selbstmordversuchen, besonders unter den Rekruten. Den Militärarchiven zufolge versuchten jährlich ungefähr 200 Männer Selbstmord zu begehen. Auch die allgemeinen Verluste während der Ausbildung waren für eine Armee dieser Stärke relativ hoch: zwischen 1969 and 1989 gab es 2799 Tote und 3146 Schwerverletzte - und das alles in Friedenszeiten. Diese Zahlen schließen natürlich die Ausbilder, die in verschiedene Länder der Dritten Welt entsendet wurden, nicht ein.

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Bildquelle: VHÚ durch Seznam.cz

Einer dieser tragischen Vorfälle geschah 1983 in der Stadt Rakovnik - und in ihn war ein Panzer verwickelt. Die offizielle Version lautet folgendermaßen:

An einem Sonntagnachmittag, am 16. Oktober beschlossen zwei Freunde (beide wehrpflichtige Schützen in der Armee) sich aus den Barracken zu stehlen und heimlich ein Bier trinken zu gehen. Sie zechten einige Stunden lang in einem heimischen Wirtshaus, bis sie ziemlich besoffen waren. Gegen 20:00 Uhr beschlossen sie, zu den Baracken zurückzukehren. Auf dem Heimweg kamen sie an einem Hof mit Panzern vorbei. Einer der Beiden, Schütze Rudolf Meduna, ein ausgebildeter Panzerfahrer, beschloss eine Spritzfahrt mit einem T-55 Panzer zu machen.

Er rannte zu dem ihm zugewiesenen Panzer, der Teil einer Schnelleinsatzgruppe und somit immer betankt und kampfbereit war. Er startete ihn und fuhr los, dabei durchbrach er den dünnen Stahlzaun des Fuhrparks. Einige Kilometer weiter kam ihm ein Zivilfahrzeug entgegen. Betrunken wie er war, konnte er ihm nicht ausweichen und krachte direkt auf es und fuhr einmal über die gesamte Fahrerseite. Wie durch ein Wunder überlebte die Fahrerin, allerdings mit schweren Verletzungen, von denen sie sich nie wieder erholte.

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Bildquelle: VHÚ durch Seznam.cz

Meduna fuhr einige Zeit weiter, bis er ausnüchterte und realisierte, was er getan hatte. In der Nähe des Dorfes Veclov fuhr er seinen Panzer auf ein Feld, verringerte die Fahrgeschwindigkeit so weit es ging, kletterte aus dem Panzer, legte sich vor ihn und ließ sich überfahren. Die Polizisten, die ihn verfolgten, fanden ihn noch am Leben. Kurzer Zeit später erlag er seinen Wunden.

Der unkontrollierte Panzer fuhr weiter in ein anderes Dorf, durchbrach einige Zäune, bis er in eine große Scheune krachte, wo der Motor seinen Geist aufgab.

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Bildquelle: VHÚ durch Seznam.cz

Im offiziellen Bericht des Vorfalls wurde Trunkenheit und der Wunsch, seine Freundin zu sehen als Grund für die Tat angegeben. Diese Geschichte wurde später durch eine andere offizielle Version ersetzt, in der es hieß, zwei Freunde hätten sich gestritten, welcher Panzertyp besser sei und Meduna hätte seinen Standpunkt beweisen wollen. In einer Untersuchung, die kürzlich veröffentlicht wurde, kam allerdings zu Tage, dass Meduna von seiner Einheit erbarmungslos schikaniert wurde. Offiziell existieren keine Schikanierungen. Diese wurden kaum geahndet und die meisten Kommandaten der Einheiten waren diesbezüglich auf beiden Augen blind.

Die Professionalisierung der tschechischen Armee löste fast alle gemeldeten Schikanefälle, auch wenn es 15 lange Jahre dauerte, dies zu realisieren. Von 2004 bis heute verstarben 36 aktive Militärdiensthabende in der Ausübung ihrer Pflicht. 15 davon ließen ihr Leben bei Kampfhandlungen im Ausland.

Trotzdem gibt es auch heute noch Menschen, die gerne zu den alten Traditionen zurückkehren möchten, in denen ein langer Wehrdienst "Jungs zu echten Männern machte". Eine irrige Vorstellung: in Zeiten, in denen neue Militärtechnologie immer komplexer wird, sind Wehrpflichtarmeen absolut nicht geeignet für moderne Schlachtfelder. Hoffen wir deswegen, dass die Phantasien alter Männer über ihr Jugend, bleiben, was sie sind - leere Phantasien.

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