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Verwirrende Bezeichnungen

Wenn es darum geht, moderne Panzerfahrzeuge zu umschreiben, verwenden die meisten Menschen das Wort „Panzer“ für alles, was Ketten und Kanone besitzt. Wer sich etwas fürs Militärische interessiert, nennt jeden Panzer, den er im Fernsehen, in Büchern oder in Filmen sieht einen „Kampfpanzer“. Kein Wunder, dass es zu überraschten Reaktionen kommt, wenn dann jemand einen T-64 als mittelschweren Panzer bezeichnet. Die Geschichte von Panzerbezeichnungen ist sehr verworren und hängt stark von länderspezifischen Kategorisierungen ab. Um zu erfahren, wie unübersichtlich die ganze Sache mit der Fahrzeugbezeichnung sein kann, müssen wir uns zurück in die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg versetzen, als die Verwirrung ihren Anfang nahm.
T-64 Lutsk

Zweiter Weltkrieg und die Zeit davor

Das Chaos der Panzerbenennungen ist nicht allein auf die heutige Zeit beschränkt, ganz im Gegenteil - die Einführung des Begriffs Kampfpanzer machte die Sache um einiges übersichtlicher. Generell gesagt wurden Panzer vor und teilweise noch während des Zweiten Weltkriegs nach folgenden Merkmalen bezeichnet:

  • Ihren Verwendungszweck (Infanterie, Kavallerie, Durchbruch)
  • Ihr Gewicht (Leicht, Mittel, Schwer)
  • Andere

Die Einstufung nach Verwendungszweck ist leicht zu überschauen. Die gängigste Unterscheidung ist die zwischen Infanterie- und Kavalleriepanzern gewesen, die jeweils nach dem Truppenteil benannt wurden, zu dessen Unterstützung sie bestimmt waren. Infanteriepanzer sind nicht mehr als ein fahrender Splitterschutz gewesen. Sie waren schwer und langsam, ihre einzige Funktion bestand darin, marschierenden oder laufenden Soldaten Deckung zu bieten. Kavalleriepanzer sind in der Regel leichter und schneller gewesen, um mit den Formationen stand halten zu können. Der Zusammenhang zwischen Gewicht und Verwendungszweck war nicht immer gegeben und auch wenn die meisten bei Infanteriepanzern an schwerfällige Bestien wie den Churchill denken, gab es doch einige Ausnahmen. Im Jahre 1934 startete die tschechoslowakische Armee ein Programm zur Unterteilung der Panzerkategorie II (Leichtpanzer) in mehrere Unterkategorien, darunter IIa (Kavalleriepanzer) und IIb (Infanteriepanzer). Die Anforderungen für Infanteriepanzer unterschieden sich dabei nicht sonderlich von denen für Kavalleriepanzer, für beide Kategorien wurden nahezu dieselben Fahrzeuge vorgeschlagen (leichte, relativ wendige Panzer).

Churchill

Die Einstufung nach Gewicht ist in vielen Ländern eine übliche Form von Panzerkategorisierung gewesen, wobei sie oft mit dem jeweiligen Verwendungszweck verknüpft war. Diese Kategorie ist bei weitem nicht so gängig, wie man denken könnte. Generell als „schwere“ Panzer definierte Fahrzeuge (z.B. der Tiger) fielen auch wegen ihres Verwendungszwecks in diese Kategorie (in diesem Fall als auf Durchbruch spezialisierte Panzer). Auf der anderen Seite endeten einige schwere Panzer in der Kategorie „mittel“, wie etwa der Panther aufgrund seines Rumpfniveaus (obwohl der T-5 „Panther“ in der Sowjetunion als schwerer Panzer kategorisiert wurde). Die Tatsache, dass ein Durchbruchpanzer als „schwer“ bezeichnet wird, ist relativ unwichtig, wenn der Verwendungszweck das Hauptmerkmal einer Kategorie ist. Es gibt aber auch seltene Fälle, bei denen allein das Gewicht die Einstufung eines Fahrzeugs in die „schwere“ Kategorie bestimmen kann. Ein Beispiel dafür ist Italien, wo einige Panzer nur wegen ihres Gewichts als schwer eingestuft wurden (laut italienischen Klassifizierung ist der Panther also ein schwerer Panzer gewesen).

Tiger

Andere Einstufungskriterien basieren auf eher unüblichen Bestimmungsmerkmalen. So klassifizierten zum Beispiel die Ungarn ihre Panzer nach Kanonenkalibern. Das führte zu einigen seltsamen Einstufungen: Fahrzeuge mit Kanonen von 75mm und höher wurden ungeachtet ihrer reellen Feuerkraft als „schwer“ kategorisiert, was dazu führte, dass der 25 Tonnen schwere Panzer IV in derselben Kategorie landete, wie der 54 Tonnen schwere Tiger. Eine weitere Kuriosität ist die italienische Klassifizierung nach Bewaffnung, Gewicht und Verwendungszweck gewesen. In italienischen Quellen ist der allgemein als Leichtpanzer bekannte Fiat 300 mal als leichter, mal als mittlerer und mal als schwerer Panzer eingestuft - je nach Dokument.

Das sind natürlich nur Beispiele, in vielen Ländern wurde die kombinierte Bezeichnung „schwer/mittel“ verwendet und manchmal änderte sich die Bezeichnung einzelner Panzer noch während ihrer aktiven Einsatzzeit (der M26 Pershing startete als schwerer Panzer und wurde nach dem Krieg zum mittleren Panzer abgestuft).

Fiat 3000

Generell gesagt ist die Einstufung von Panzern niemals vereinheitlicht gewesen, eher chaotisch und widersprüchlich. Einige Sachen können jedoch festgestellt werden:

  • Die Leichtpanzer der Weltkriegsära verschwanden zum Ende des Zweiten Weltkriegs hin und tauchten Jahre später unter ganz anderen Umständen wieder auf
  • Auch schwere Panzer verschwanden nach dem Krieg. Die Amerikaner beendeten ihr Schwerpanzerprogramm mit dem M103, während die Sowjets noch eine Weile länger an den Schwergewichten festhielten. Der Hauptgrund für ihr Verschwinden war die simple Tatsache, dass moderne, universell ausgerichtete Panzer die gleichen Funktionen bei einem Bruchteil der Produktionskosten erfüllen konnten.
  • Mittlere Panzer entwickelten sich mit der Zeit zu den heute bekannten Kampfpanzern und wurden später ironischerweise oftmals als schwere Panzer eingestuft, mitsamt allen Problemen, die einst zum Verschwinden von Schwerpanzern beigetragen hatten.

Nachkriegszeit

Wenn auch das vor und während des Krieges herrschende Einstufungschaos durch die Einführung der Kategorie Kampfpanzer gebannt zu sein schien, sah die Sache in Realität etwas komplizierter aus. Wie bereits erwähnt, entwickelten sich mittlere Panzer schrittweise zum Konzept Kampfpanzer (wobei der Begriff ab 1957 durchgehend verwendet wurde).

Die Amerikaner entledigten sich relativ schnell der Bezeichnungen leichter, mittelschwerer, schwerer Panzer und benannten ihre Fahrzeuge fortan nach dem Geschützkaliber (z.B. 105mm Gun Full-Tracked Combat Tank M60), während die Briten an dem Konzept des „Universalpanzers“ festhielten. Natürlich ist die Angelegenheit nicht so einfach, wie es scheint. Lasst uns einen Blick auf das russische System werfen, um das Chaos und die Komplexität der Bezeichnungen zu demonstrieren.

Anders als im Westen, hielt man in der Sowjetunion noch lange Zeit an der Einstufung in mittlere und schwere Panzer fest. Ungeachtet der Tatsache, dass die T-54/55-Serie teilweise immer noch als Kampfpanzer im Einsatz ist, sind diese Panzer in sowjetischer Terminologie mittlere Panzer gewesen (es gibt eine Tendenz, einen jeden Panzer der Nachkriegszeit Kampfpanzer zu nennen, was in diesem Fall nicht korrekt ist). Jetzt wird die ganze Sache interessant.

Der offiziellen technischen Beschreibung nach ist der T-64 ein mittelschwerer Panzer (srednij tank), der T-64A aber ein Kampfpanzer (osnovnoj boevoj tank). Und wie sieht die Sache beim T-72 aus? Der renommierte russische Autor Barjatinskij bezeichnet ihn als Kampfpanzer, während die offizielle Beschreibung des T-72 ihn (auf Seite 19) als mittelschweren Panzer definiert. Das ist umso erstaunlicher, als der T-72 näher mit dem Kampfpanzer T-64A verwandt ist, als mit dem T-64. In offiziellen Befehlen bezeichnete das sowjetische Verteidigungsministerium den T-72 ebenfalls als mittelschweren Panzer (siehe: Befehl aus dem Jahre 1973, Nr. 0148, Zur Abnahme des mittleren Panzers T-72 ), wobei in späterer Zeit die Klassifizierung nicht mehr angegeben und der T-80 beispielsweise nur noch als „Panzer“ bezeichnet wurde.

T-80U

Auch beim T-80 variieren die Einstufungen. So wird etwa der T-80B im offiziellen Handbuch und bei Bartjanskij „Kampfpanzer“ genannt, während er bei Steven Zaloga in seinem Buch von 2009 als mittelschwerer Panzer fungiert. Die Bezeichnung mittelschwer wurde jedoch keineswegs zufällig vergeben. Der Ersatz für die T-64 und T-72-Panzer erhielt den Namen „NST“, eine russische Abkürzung für „Neuer mittelschwerer Panzer“.

Der T-90 ist bereits ein purer Kampfpanzer, der Armata wiederum, fungiert in offiziellen Veröffentlichungen des russischen Verteidigungsministeriums als „mittlerer Panzer auf der Armata-Plattform“, was entweder als „mittelschwerer Panzer“, oder als „mittlere Variante“ des Armata-Panzers interpretiert werden kann (wobei die schwere Variante der Armata mit 152mm-Kanone sein würde). Der Hersteller seinerseits bezeichnet den Armata einfach als „Panzer“.

Schlussfolgerung

Auch wenn es gang und gäbe ist, die meisten Panzer als „Kampfpanzer“ zu bezeichnen, ist es in manchen Fällen durchaus angebracht, auf alternative Benennungen auszuweichen. Manchmal sind selbst primäre Quellen unspezifisch und das Beste, was man machen kann, ist die Fahrzeuge nach der ihnen im Kampf zugedachten Rolle zu klassifizieren.

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