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Der Kriegshammer – T-55AM1

Die T-54/55-Panzerfamilie umfasst ohne Zweifel einige der bekanntesten Panzerfahrzeuge aller Zeiten. Der charakteristische runde Turm und die bedrohliche Silhouette stellten während des Kalten Krieges einen Albtraum für westliche Strategen dar und das potenzielle Invasionsszenario, in dem Horden von T-54/55-Panzern über die sogenannte "Fulda-Lücke" in den Westen einfallen, war Thema vieler Militärpublikationen.

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T-55A, Panzermuseum Munster

Und auch wenn dieses Fahrzeug von vielen als archetypischer Panzer der Sowjetarmee angesehen wird und als Symbol für die militärische Macht des Warschauer Paktes gilt, sollte man nicht vergessen, dass dieses Panzermodell auch in anderen Ländern produziert wurde.

In Polen und der Tschechoslowakei entwickelte man eigene T-54- und T-55-Varianten und erweiterte die Produktpalette um zwei Dutzend unterschiedliche Spezialfahrzeuge und Prototypen, die von Kampfwertsteigerungen der ersten T-54A-Modelle bis zu modernsten Versionen reichte, wie sie in den 1980er-Jahren entwickelt wurden.

Sie alle in einem einzigen Artikel abzuhandeln, wäre eine Sache der Unmöglichkeit, da über die T-54-Entwicklung außerhalb der Sowjetunion schon ganze Bücher verfasst worden sind. Deshalb werden wir uns nur auf die modernsten T-55-Modelle beschränken, wie sie aktiv im Dienst der DDR und der Tschechoslowakei eingesetzt wurden - den Fahrzeugen der T-55AM1/AM2/AM2B-Serie.

Die Hintergründe der Entwicklung sind mit denen der T-55M-Serie identisch. Die Produktion des T-54 in der Tschechoslowakei begann 1957, der T-55 wurde dort von 1964 bis 1967 gebaut. Im Jahr 1967 stellte man die Produktion des T-55 auf den T-55A um, dessen Herstellung bis 1982 lief.

Die Produktionszahlen variieren je nach Quelle, wobei frühe Schätzungen für die in der Tschechoslowakei gebauten Fahrzeuge bei 687 T-55 und 3820 T-55A lagen, neuere Forschung jedoch suggeriert, dass diese Zahlen nach oben korrigiert werden müssen, weil die alten Kalkulationen nicht die speziell für den Export produzierten Panzer umfassten.

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T-55A

Laut V. Francev produzierte die Tschechoslowakei zwischen 1964 und 1982:

  • 1129 T-55 (442 für den Export)
  • 6299 T-55A (4883 für den Export)
  • 902 T-55AK Kommandoversion (807 für den Export).

Diese Zahlen schließen keine spezialisierten T-54/55-Varianten ein, wie Bergepanzer und gepanzerte Brückenleger. Panzer sind seit den 1960er bis in die 1980er-Jahre hinein ein wichtiger Exportartikel der Tschechoslowakei gewesen.

Der tschechoslowakische T-55A verfügte im Vergleich zum T-55-Basismodell über mehrere Verbesserungen:

  • Optimierter ABC-Schutz durch verbesserte Hermetisierung (als Resultat konnte sich der T-55A 200 Meter näher am Epizentrum eines taktischen Nuklearschlags befinden, als ein regulärer T-55, ohne dass die Besatzung in Mitleidenschaft gezogen wurde)
  • Verbessertes Getriebe (mit deutlich robusterem Steuerhebel und zuverlässigerer Schaltung)
  • Verbessertes Kettenspannungssystem und verbesserte Ketten aus Stahlguss mit Metall-Gummigelenken
  • Neuer Druckluftanlasser als Notstartaggregat zusätzlich zum alten elektrischen Anlasser
  • Neue Hydraulik für den Lenkungsmechanismus
  • Verbesserte Watelemente
  • Der ältere Funkgerätsatz R-113 wurde durch das Modell R-123 ersetzt
  • Die ältere Sprechanlage R-120 wurde durch das Modell R-124 ersetzt
  • Das koaxiale 7,62mm SGMT-Maschinengewehr wurde durch das modernere PKT-Modell ersetzt

Die Liste umfasste noch einige weitere kleinere Änderungen. Das fest an der Wanne montierte 7,62-mm-Maschinengewehr wurde durch ein neues, drehzapfengelagertes 12,7-mm-DShK Flakgeschütz ersetzt.

An dieser Stelle müssen wir auf einen grundlegenden Punkt eingehen, der bisweilen für Verwirrung sorgt und die Bezeichnung von Panzern des Warschauer Pakts betrifft. Die im Internet verfügbaren Informationen beziehen sich üblicherweise auf die sowjetischen Modelle und können sich von den in anderen Ländern für dieselben Fahrzeuge verwendeten Namen unterscheiden. Im schlimmsten Fall haben wir es am Ende mit einem Mischmasch aus unterschiedlichen Quellen zu tun, die sich mehr und mehr von der Realität entfernen.

Der T-55 ist das exzellente Beispiel dafür. Der sowjetische T-55A wurde mehrmaligen Kamfwertsteigerungen unterzogen, die erst im Nachhinein auch bei den Lizenzmodellen des T-55A Eingang fanden, sodass ein frühes tschechoslowakisches T-55A-Modell von 1967 nicht über das verbesserte Getriebe verfügte, mit dem das sowjetische Modell bedacht wurde. Andere Elemente wurden erst gar nicht übernommen, wie etwa das schwere sowjetische NSV-Maschinengewehr, das zu keinem Zeitpunkt auf tschechoslowakische T-55A auftauchte.

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T-55AM1

Ende der 1970er-Jahre galten die im Dienst befindlichen T-55A gemeinhin als technisch überholt. Um ihren Kampfwert zu steigern, wurde ein neues Programm zur Entwicklung einer aufgewerteten Variante ins Leben gerufen, um die Produktion des veralteten T-55A zu ersetzen. Die Ziele des Programms wurden wie folgt umrissen:

  • Die Feuerkraft des Fahrzeugs sollte erhöht werden, um moderne westliche Panzer dominieren zu können
  • Der Schutzfaktor sollte maximal erhöht werden
  • Verbesserung interner Komponenten, wie der Feuerleitanlage, der Feuerlöscher, der Kommunikationsanlage usw.

Das Programm war in zwei Phasen unterteilt. Die erste Phase mit der Bezeichnung T-55AM1 konzentrierte sich auf der Erhöhung der Feuerkraft. Den größten Unterschied im Vergleich zum T-55A machte die Einführung der Feuerleitanlage Kladiwo (Kriegshammer), in von dem Konstruktionsbüro 060 in Prag (VÚ 060 Praha) zwischen 1981 und 1983 entwickelt wurde.

Das System besteht aus:

  • Laserabstandsmesser
  • Elektronischen ballistischen Computer
  • Steuerungsterminal
  • Stromgenerator
  • Munitionsauswahlmechanik
  • Sensoren
  • Modifiziertem Richtschützenvisier
  • Modifiziertem Kommandantenvisier mit Zielgeschwindigkeitsmesser

Der ballistische Computer basierte auf Mikroprozessoren aus tschechoslowakischer Produktion. Die Daten aus 8 separaten Sensoren wurden automatisch gesammelt, weitere Werte mussten manuell eingegeben werden. Die automatisch generierten Sensordaten umfassten Geschwindigkeit, Rohrerhebung, Turmposition, Außentemperatur, Zielvektor usw.

Weitere Daten mussten über die Tastatur manuell eingegeben werden. Dazu zählten die nominale Mündungsgeschwindigkeit von Projektilen, die Wetterbedingungen und ähnliches.

Der Laserabstandsmesser des Kladiwo-Systems konnte Ziele auf einer Distanz von 200 bis 3900 Metern erfassen. Seine Präzision gegen feindliche SPz auf 3500 Metern betrug ca. 10 Meter. Bei maximaler Distanz mussten sich die Ziele in einem Abstand von mindestens 30 Metern befinden, damit das System sie unterscheiden und akkurat erfassen konnte. Wurde das Gerät nicht benutzt, deckte es eine elektrisch betriebene Metallplatte ab. Es war in zwei Sekunden einsatzbereit und konnte maximal 6 mal in der Minute verwendet werden.

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T-55AM1

Desweiteren war Kladiwo mit einem elektronischen Diagnosesystem ausgestattet, das dem Bediener etwaige Probleme und kaputte Teile meldete.

Die Leistungssteigerung des Panzers war beachtlich. Die Präzision erhöhte sich im Vergleich zum herkömmlichen T-55A um das 6,4-fache beim Feuern aus dem Stand, um das 3,6-fache bei Zwischenstopps und um das 3-fache beim Schießen in Bewegung. Im Training trafen reguläre Besatzungen 47,9 Prozent aller Ziele beim ersten Schuss, was im Vergleich zum herkömmlichen T-55A eine 13,3-fache Steigerung bedeutete.

Das Fahrzeug wurde auch mit einem Laserzielerfassung-Warngerät des Typs SDIO ausgestattet, dessen Sensoren 4 Bereiche erfassten. Jeder Bereich war 90 Grad weit und -15 bis +45 Grad hoch. Die gemessene Wellenlänge betrug zwischen 0,85 bis 1,065 µm, die maximale Erfassungsdistanz eines 1-MW-Lasers war 5 km.

Die Einführung der Kladiwo-Feuerleitanlage und der anderen Komponenten hatte allerdings ihren Preis. Das Gewicht des Fahrzeugs erhöhte sich um ca. 500 kg und die Menge der mitgeführten Munition musste von 43 auf 38 Projektile in folgender Zusammensetzung reduziert werden:

  • 18 HE-Projektile
  • 4 AP-Projektile
  • 6 HEAT-Projektile
  • 10 APFSDS-Projektile

Das Fahrzeug führte die AP- und APFSDS-Projektile wahrscheinlich aus ökonomischen Gründen mit sich – einfache AP-Geschosse eignen sich hervorragend gegen weiche Ziele und waren seit Produktionsbeginn des T-54/55 in großen Mengen vorhanden.. Die Panzerung blieb dieselbe wie beim T-55 und T-55A, ebenso der Motor (ein 570 PS V-55A V12 Diesel-Viertakter).

Man baute die T-55AM1 nicht komplett neu. Stattdessen wurde zwischen 1981 und 1985 eine Reihe von T-55A-Panzern im Reparaturwerk 025 in Nový Jičín (VOP 025) auf den T-55AM1-Standard gebracht.

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T-55AM2

Wie viele Einheiten am Ende zum T-55AM1 umgewandelt wurden, ist allerdings unklar. Wir wissen, dass die ersten 40 Fahrzeuge 1982 an das Militär ausgeliefert wurden und man ca. 1200 Fahrzeuge vom AM1- auf AM2-Standard aufwertete. Manchen Quellen zufolge gab es insgesamt 450 T-55AM2-Modelle, womit ungefähr 750 zum T-55AM1 modernisierte T-55A übrig bleiben. Diese Schätzung wird durch verfügbare Angaben des Militärs gestützt, die aus den Jahren vor 1989 stammen und in denen die Rede von 760 modernisierten Fahrzeugen die Rede ist, die Ende 1985 im Dienst aktiv waren.

Die T-55-Panzer blieben bis ca. 2000 im Dienst der tschechischen und slowakischen Armeen, wurden danach ausgemustert und (größtenteils) ins Ausland verkauft.

Der T-55AM1 wurde kaum exportiert, einige Einheiten gingen 1994 an Kambodscha und 97 T-55-Fahrzeuge unterschiedlicher Varianten verkaufte man zwischen 1999 und 2000 an den Jemen. Manche dieser T-55AM1 wurden während des dort aktuell tobenden Bürgerkriegs gesichtet.

Tschechoslowakische T-55AM1 wurden größtenteils von der zweiten Entwicklungsstufe des Modernisierungsprogramms erfasst, die 1985 startete und den T-55AM2/AM2B hervorbrachte, den wir in einem zukünftigen Artikel behandeln werden. Alles in allem stellte der T-55AM1 eine solide Variante des T-55 dar und hat sich deshalb einen Platz in der Geschichte des Panzerbaus gesichert.

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