Der Wettlauf zwischen Feuerkraft und Panzerung ist seit jeher ein antreibender Faktor der Panzerproduktion gewesen, der sich allerdings keinesfalls nur darauf beschränkt, die größtmögliche Waffe auf die jeweilige Plattform zu montieren. Die Gleichung hat mehrere Variablen und in den letzten hundert Jahren der Panzerentwicklung stellten sich die Ingenieure immer und immer wieder die gleiche Frage:
"Braucht dieser oder jener Panzer wirklich so eine große Kanone?"
Bevor diese Frage beantwortet werden kann, müssen einige Dinge in Betracht bezogen werden:
Nutzen für den Kampfeinsatz – Benötigt der Panzer wirklich ein größeres Geschütz? Schließlich bringt die Aufwertung eine Reihe von Problemen in Bezug auf die vorhandenen Standards mit sich. Zum einen ist es mit einer neuen Waffe allein noch nicht getan, weil man dafür auch die passende Munition braucht. Wenn die neue Waffe bereits vorhandene (also ältere) Munition verwendet, wird die Leistungssteigerung aller Voraussicht relativ niedrig ausfallen. Neue Munition hingegen muss erst entwickelt und produziert werden, wobei sich die Frage aufdrängt, ob es sich lohnt, einen ganzen Herstellungsprozess in Gang zu setzen, wenn der Gegner nur über Fahrzeuge verfügt, die auch mit älteren Kanonenmodellen besiegt werden können?
Sherman Firefly
Sekundäre Kanoneneigenschaften – hängen teilweise mit dem Bereich der Ergonomik zusammen. Die Charakteristiken von Geschützen beschränken sich nicht nur auf ihre ballistischen Parameter. Um ein Ziel zu zerstören, muss man es zuallererst treffen. Um es zu treffen, muss das Geschütz darauf ausgerichtet werden. Mächtige Kanonen besitzen oft entsprechend große Verschlüsse und einen längeren Rückstoß. Das hat meist eine drastische Verringerung des Höhenrichtwerts zur Folge, weil der Teil der Kanone, der sich im Inneren des Geschützturms hinter den Schildzapfen befindet, an einem bestimmten Punkt gegen das Dach knallt. Der Höhenrichtbereich stellt für Panzer mit niedrigen Türmen, zu denen auch die meisten sowjetischen Panzer gehören, oft ein Problem dar. Ebenso wichtig ist die Feuerrate – in einem überfüllten Geschützturm gestaltet sich das manuelle Nachladen einer großen Kanone aufgrund der Größe und des Gewichts der Projektile bisweilen schwierig. Ab einem Kaliber von 122 Millimetern stößt der Mensch unweigerlich an seine körperlichen Grenzen. Die Geschosse werden zu schwer zum Nachladen, ganz besonders im Innern eines beengten Geschützturms. Das führt zu einem Abfall der Feuerrate und schneller Ermüdung des Ladeschützen. Geschosse, deren Kaliber 122 Millimeter übersteigt, benötigen einen automatische Lademechanismen. Das ist ein weiterer Risikobereich, weil solche Mechanismen ziemlich komplex aufgebaut sind und den Nachladeprozess noch weiter verkomplizieren, falls sie kaputtgehen. Auch die Tatsache, dass ein fehlendes Besatzungsmitglied (der Ladeschütze) die Besatzung um ein Viertel verkleinert, stellt ein Problem dar, weil jede helfende Hand in den 99 Prozent der Zeit, die der Panzer außerhalb des Kampfeinsatzes verbringt, gebraucht wird – für Wartung und viele andere Aufgaben einer Panzercrew.
Lasst uns dafür ein Beispiel aus der Praxis nehmen.
In der Mitte der 1980er-Jahre erwog die NATO unterschiedliche Maßnahmen gegen die erwartete neue Generation sowjetischer Kampfpanzer, von der man annahm, dass sie den existierenden NATO-Geschossen überlegen sein würden. Die Amerikaner starteten mehrere Programme zur Aufwertung der Feuerkraft des Abrams-Panzers, die von einer aufgewerteten 120-mm-Glattrohrkanone bis zu einer mächtigen 140-mm-Kanone reichten.
125mm 2A83 Testmodell (T-72 Chassis)
Auf der sowjetischen Seite sah die Situation ganz ähnlich aus. Die erwarteten Fortschritte der westlichen Technologie ließen die sowjetischen Panzeringenieure ebenfalls mehrere Varianten der Feuerkraftmaximierung in Betracht ziehen, darunter die Steigerung des sowjetischen Panzerkalibers von 125 auf 152 Millimeter.
Die dabei zu erwartenden Probleme waren ihnen dabei natürlich bewusst, denn ein 152-mm-Kaliber-Geschoss kann kaum von Hand geladen werden, weshalb die sowjetischen Panzer mit entsprechend großen Lademechanismen ausgestattet werden mussten. Auch die Vergrößerung der Geschütze selbst war beachtlich, was die Sowjets (und später die Russen) jedoch nicht davon abhielt, eine Reihe interessanter Prototypen zu entwerfen.
Die Entwicklungsgeschichte russischer Panzer der späten 1980er-Jahre ist noch nicht gänzlich erforscht und selbst russische Quellen widersprechen sich an vielen Stellen. Man weiß jedoch, dass die Sowjets ein Programm namens "Sowerschenstwowanie-88" (Verbesserung-88) ins Leben riefen, das einen Kampfpanzer der nächsten Generation hervorbringen sollte – oder wenigstens die bestehende Panzerflotte weitgehend modernisieren würde. Im Rahmen dieses Projekts wurden mehrere Fahrzeuge entworfen und gebaut, darunter einige mit einer 152-mm-Kanone.
Das erste sowjetische Panzerprojekt mit 152-mm-Kanone hieß Objekt 292. Dabei handelte es sich im Grunde um einen modifizierten T-80BV mit einer 152-mm-Kanone vom Typ LP-83, die Mitte der 1980er-Jahre in den Kirow-Werken in Leningrad (St. Petersburg) gebaut wurde. Entwickelt hatte sie das Konstruktionsbüro "Burewestnik". Es war ein kontroverses Projekt, da die T-80-Plattform eigentlich zu klein für ein Kaliber über 140 Millimeter war und weitgehend modifiziert werden musste. Auch die Entwicklung des Geschützes verlief nicht reibungslos. Was ursprünglich eine Zugrohrkanone werden sollte, wurde aus Kostengründen zu einer Glattrohrkanone.
Object 292
Ein einziger Prototyp des Objekt 292 entstand im Herbst 1990. Die anschließenden Testreihen bestätigten einen großen Anstieg der Feuerkraft im Vergleich zur standardmäßigen 125-mm-2A46-Glattrohrkanone, einschließlich eines 50-prozentigen Anstiegs der Mündungsenergie. Dank ihrer modernen Konstruktion besaß die Kanone einen der 2A46 ähnlichen Rückstoß und konnte deshalb auch in vorhandenen sowjetischen Panzern eingebaut werden. Das Fahrgestell des Fahrzeugs war stabil genug und der Prototyp legte eine überzeugende Leistung an den Tag. In Folge des Zusammenbruchs der Sowjetunion und den damit einhergehenden Kürzungen des Militärbudgets konnte das Fahrzeug nicht zur Serienreife entwickelt werden. Der Prototyp stand jahrelang in einem Hangar herum und wurde erst kürzlich ins Kubinka-Panzermuseum gebracht und restauriert.
Ein ähnliches Schicksal ereilte ein weiteres fortschrittliches Projekt der sowjetischen Panzerkonstrukteure namens Objekt 195, dessen Entwicklungsgeschichte sich sogar noch um einiges seltsamer gestaltete. Objekt 195 stand für eine Abkehr von dem bis dahin üblichen Design sowjetischer Panzer und war mit einer anderen 152-mm-Kanone ausgestattet (2A83), die in einem unbemannten Turm untergebracht war. Die 2A83-Kanone wurde im Werk Nr. 9 in Jekaterinburg entwickelt, ungefähr zur selben Zeit, wie die LP-83 in Leningrad. Es handelte sich dabei um eine automatisch geladene Glattrohrkanone. Dank ihres langen Laufs konnte sie APFSDS-Projektile mit Geschwindigkeiten von bis zu 2000 m/s abfeuern.
Obejkt 195 wurde von Uralwagonsawod entwickelt, doch selbst die prominente Stellung der Fabrik aus Nischnij Tagil konnte das Projekt nicht vor den Kürzungen nach dem Zerfall der Sowjetunion bewahren. Sicher ist, dass immerhin ein Prototyp gebaut wurde, auch wenn genauere Informationen dazu fehlen. Das Projekt wurde 1991 eingestellt, um anschließend im Jahre 2000 teilweise wiederbelebt zu werden. Diese zweite Entwicklungsphase dauerte bis 2008, als das Projekt endgültig aufgegeben wurde. Ihr könnt mehr über dieses Modell in unserem Artikel nachlesen.
Object 195
Die beiden oben genannten Projekte stellen die bekanntesten Entwürfe dar, bei denen eine 152-mm-Kanone zum Zuge kam. Zu den weniger bekannten Projekten gehört Objekt 477 "Molot" aus Charkiw, der mit der LP 83 ausgerüstet werden sollte, jedoch aus dem selben Grund nicht entwickelt wurde, wie die bereits beschriebenen Projekte, nämlich aufgrund fehlender Finanzierung nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Seine Entwicklungsgeschichte wird in einem der kommenden Artikel erzählt, an dieser Stelle wollen wir uns jedoch wieder dem Objekt 195 zuwenden, der den Ausgangspunkt für die Entwicklung des T-14 bildete. Nicht direkt, wohlgemerkt, sondern in Form von zahlreichen Komponenten, die später in die Entwicklung des Armata eingeflossen sind, dessen Auftritt 2015 die Welt geschockt hat.
Zum Zeitpunkt seiner öffentlichen Präsentation wurde viel spekuliert hinsichtlich der Frage, ob er mit einer 125- oder mit einer 152-mm-Kanone ausgerüstet werden würde. Wie bereits erwähnt sind 152-mm-Kanonen durchaus mit Plattformen kompatibel, die 125-mm-Glattrohrkanonen tragen, auch wenn die Aufwertung buchstäblich ihren Preis hat. Die Herstellung und Wartung von 152-mm-Kanonen mitsamt passender Munition ist sehr kostspielig (die Geschützrohre haben beispielsweise eine kürzere Lebensspanne, als die 125-mm-Modelle) und angesichts der internationalen Sanktionen gegen Russland und der eng gesetzten Grenzen des Militärbudgets scheint eine modernisierte 125-mm-Variante die wahrscheinlichste zu sein.
Der zweite Aspekt ist der praktische Nutzen im Kampf, oder besser gesagt, sein Fehlen. Es gibt heutzutage schlichtweg keinerlei Bedrohung auf dem Schlachtfeld, mit der eine modernisierte 125-mm-Kanone nicht fertig werden könnte. Die Vereinigten Staaten setzen immer noch ihre alten Abrams-Panzer ein, die selbst in ihren aufgewerteten Varianten alles andere als unzerstörbar sind, was erst kürzlich durch die Verluste irakischer Abrams-Einheiten beweisen wurde. In Europa wiederum werden die in die Jahre gekommenen Leopard 2A5/2A6-Varianten nach und nach modernisiert, wobei der größte Teil der europäischen Panzerflotte aus älteren Leopard-2-Modellen mit fragwürdigem Kampfwert besteht, beziehungsweise im Fall der Länder des ehemaligen Warschauer Paktes aus modernisierten Fahrzeugen der Sowjetära.
Der Einsatz eines höheren Kalibers an russischen Panzern würde nur dann Sinn machen, wenn potenzielle Gegner mit einer entsprechenden Bedrohung auffahren würden – einem brandneuen Kampfpanzer mit modernster Panzerung und Bewaffnung. Angesichts der amerikanischen Pläne, das Kampfwertsteigerungsprogramm für den Abrams noch mindestens ein oder gar zwei Jahrzehnte weiterverfolgen zu wollen, sowie den vagen Andeutungen eines zukünftigen europäischen KPz (den man oft fälschlicherweise als Leopard 3 herbei beschwört) ist das Auftauchen einer solchen Bedrohung in der absehbaren Zukunft nicht sehr wahrscheinlich.
Die 2A83-Kanone wurde zwar nachweislich für den Einsatz auf der Armata-Plattform in Erwägung gezogen, was jedoch aus den oben genannten Gründen nicht umgesetzt wurde und der Panzer stattdessen mit einer modernen 125-mm-2A82-Glattrohrkanone der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Verglichen mit der 125-mm-2A82-Glattrohrkanone ist die 2A83:
- Fast doppelt so schwer (5 Tonnen im Vergleich zu 2,7 Tonnen)
- Besitzt nahezu die gleiche Mündungsgeschwindigkeit (ca. 2000 m/s)
- Verfügt über viel höhere Mündungsenergie (25 MJ im Verkleich mit den 15-20 MJ der 125 mm)
- Besitzt weitgehend dieselbe potenzielle Feuerrate unter Einsatz eines Autoladers (ca. 10 Schuss pro Minute)
- Besitzt eine um ein Drittel kürzere Lebensspanne (300 Schuss im Vergleich zu den ca. 900 Schuss der 125-mm-Kanone)
Für die 2A83 werden weiterhin moderne Projektile entwickelt, ob aber in absehbarer Zukunft auch eine 152-mm-Variante gebaut wird, ist nach dem derzeitigen Stand höchst unwahrscheinlich.
T-14 Armata
Bei Armored Warfare planen wir die Einführung von zwei Modellen mit der 152-mm-2A83:
- Schon bald wird der Armata mit 152-mm-Kanone als separates Fahrzeug ins Spiel zurückkehren
- Auch das Modell des KPz Objekt 195 wird in der (wenn auch nicht unmittelbaren) Zukunft auftauchen
Mit ihrem massiven Kaliber werden diese beiden Fahrzeuge das Gameplay auf hohen Rängen auf jeden Fall abwechslungsreicher gestalten. Die tatsächliche Leistung der Kanone wird hauptsächlich von der hohen Schadensrate pro Schuss definiert, was auf Kosten der Feuerrate geschehen wird und interessante und ausbalancierte Fahrzeuge hervorbringen dürfte.
Wir hoffen, dass sie euch gefallen werden und sehen uns auf dem Schlachtfeld!