Ein gängiges Missverständnis bei der Diskussion über Panzerfahrzeuge der Warschauer-Pakt-Staaten besteht darin, dass stets von einer sowjetischen Dominanz bei der Panzerproduktion ausgegangen wird, in deren Schatten nur auf Lizenz oder unter strenger Aufsicht des Sowjetregimes produziert werden konnte.
SKOT-2AP
In Wirklichkeit hatten die Staaten des Warschauer Paktes auf diesem Gebiet durchaus freie Hand (mit Ausnahme von wichtigen strategischen Entscheidungen, wie der Produktion des BMP-1 für alle Staaten des Paktes durch die Tschechoslowakei). Diese relative Autonomie wurde oft dazu genutzt, eigenständig entwickelte Modelle für den Ostblock zu produzieren. Die Eigenständigkeit führte allerdings immer wieder zu Missverständnissen und Zwist zwischen Ländern, die ihre Probleme üblicherweise auf politischem Wege lösten.
Ausschlaggebend für die Absage Polens, den BMP-1 in Zusammenarbeit mit der Tschechoslowakei zu bauen, ist die schlechte Erfahrung gewesen, die man bei der Koproduktion des SPz OT-64 in den frühen 1960er-Jahren machte. Im heutigen Artikel widmen wir uns genau jener enttäuschenden Kooperation.
Der Beginn der Zusammenarbeit
In einem unserer letzten Artikel sprachen wir über die Anfänge der OT-64-Entwicklung. Zwischen 1958 und 1960 wurden mehrere Prototypen des OT-64 gebaut und die Tschechoslowakei verfügte trotz einiger Anlaufschwierigkeiten über einen funktionstüchtigen SPz-Prototypen mit futuristischem Design, der 1960 bereit war, in die Serienproduktion zu gehen.
OT-64 SKOT
Die erste Erwähnung einer möglichen Zusammenarbeit zwischen Polen und der Tschechoslowakei beim Bau des OT-64 lässt sich auf den August 1960 zurückdatieren, als das Komitee zur Polnisch-Tschechoslowakischen Wirtschaftlichen Zusammenarbeit in Warschau tagte. Ein weiteres Treffen fand zwischen Januar und Februar 1961 in Prag statt und resultierte in einem Memorandum, das eine Intensivierung der weiteren Zusammenarbeit an dem Projekt postulierte.
Im März 1961 übergab die polnische Delegation dem tschechoslowakischen Verteidigungsministerium eine Liste mit Verbesserungsvorschlägen zum bestehenden Fahrzeugprojekt. Ungefähr zur gleichen Zeit schickte sowohl Polen, als auch die Tschechoslowakei eine Delegation nach Moskau, denen jeweils der neue sowjetische Panzerprototyp BTR-60P vorgestellt wurde. Ausgehend von dem Eindruck, den diese Präsentation hinterließ, schlug die polnische Seite vor, den BTR-60P als Koproduktion mit der Tschechoslowakei zu produzieren, weil das sowjetische Fahrzeug in den für 1962 angesetzten Vergleichstests besser ausfallen würde, als das tschechoslowakische.
Mit dieser Aktion brachte es die polnische Seite fertig:
- Einerseits die Verantwortlichen in Sowjetrussland zu verärgern, die darin einen weiteren Zwist zwischen Polen und der Tschechoslowakei sahen, den sie würden lösen müssen, denn trotz der offiziell propagierten Völkerfreundschaft und dem gemeinsamen Feindbild „Kapitalismus“ hatte man in Polen die Scharmützel um historisch beanspruchte Gebiete noch in frischer Erinnerung.
- Auf der anderen Seite erinnerte man sich in der Tschechoslowakei noch genau an die Annexion tschechischer Gebiete vor dem Zweiten Weltkrieg, bei der das polnische Militär nicht gerade zimperlich vorging. Darüber hinaus äußerten sowjetische Militärs berechtigte Zweifel an der technischen Durchführbarkeit einer serienmäßigen BTR-60P-Produktion in Polen.
In der Tschechoslowakei wiederum stieß der polnische Vorschlag auf vehemente Ablehnung, da man darauf setzte, dass der OT-64 aus lieferbaren Teilen bestand, die auch bei anderen Fahrzeugen Verwendung fanden und die Einführung komplett neuer Produktionsprozesse das Projekt unnötig verzögern würde. Auch Vertreter der Industrie warnten davor, dass angesichts der völlig neuartigen Komponenten des BTR-60P, die zu der Zeit kein tschechoslowakisches Werk produzieren konnte, das Projekt nicht in absehbarer Zukunft hätte realisiert werden können. Die Verhandlungen zogen sich bis in den Sommer hinein. Die tschechoslowakische Seite war schon drauf und dran, die Zusammenarbeit mit Polen aufzulösen. Schließlich jedoch rückten die Polen im Juli 1961 nach Gesprächen mit Vertretern der sowjetischen und der tschechoslowakischen Seite vor ihrem Vorschlag ab.
Die Bauplanung
Was Unstimmigkeiten bei der Produktion angeht, so waren diese damit beileibe nicht belegt. Ursprünglich sollte die erste Produktionsserie im Jahre 1964 anlaufen und bis 1968 8600 hergestellte Einheiten umfassen - 4000 für die Tschechoslowakei und 4600 für Polen. So weit, so gut, außer, dass die Tschechoslowakei jährliche Lieferungen von 2000 Fahrzeugen pro Jahr zusagte, von denen 1200 an die Tschechoslowakei und 800 an Polen gehen sollten. Diese Bevorzugung der tschechoslowakischen Seite bei den Lieferungen stieß in Polen auf Ablehnung, was dazu führte, dass konkrete Produktionszahlen erst später festgelegt wurden.
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Ein weiterer Streitpunkt ist die Frage der Aufgabenverteilung gewesen. Im Oktober 1961 einigte man sich darauf, dass Motoren, Aufhängung und Fahrgestell in der Tschechoslowakei produziert werden sollten, während die Herstellung von Wannen, Verkabelung und die Endmontage in Polen stattfinden würde. Das tschechoslowakische Werk AZ Letňany wurde als „Hauptkonstrukteur“ des Fahrzeugs ausgewählt, ohne dessen Zustimmung keine Änderungen im Design vorgenommen werden sollten. Darüber hinaus würden tschechoslowakische Spezialisten jeden Schritt bei der Montage in Polen überwachen.
Die gegenseitige Feindseligkeit und die fortwährenden, durch lange Verhandlungen verursachten Verzögerungen hatten weitreichende Konsequenzen. Um einen rechtzeitigen Produktionsstart zu gewährleisten, bekamen die tschechoslowakischen Werke Ausnahmegenehmigungen, die Qualitätstests umgingen und zu einer Vielzahl von Beschwerden auf polnischer Seit führten. Komplizierte Vereinbarungen zwischen den beiden Ländern führten teilweise zu großen Verschwendungen an Arbeitskraft. Der Herstellungsprozess von Panzerungsplatten gestaltete sich etwa wie folgt:
- die Rohplatten wurden in der Eisenhütte von Vítkovice (Tschechoslowakei) gewalzt
- die Platten wurden zur weiteren Verarbeitung nach Polen transportiert
- die bearbeiteten Platten wurden zurück in die Tschechoslowakei zum Aushärten gebracht (PPS Detva)
- schließlich gingen die Platten zurück nach Polen, wo sie verbaut wurden
und so weiter. Zusätzlich zu den Qualitätsbeschwerden verwandelte sich der Prozess in einen logistischen Albtraum. Neben den oben genannten Problemen führten auch politische Entscheidungen, wie die Senkung des tschechoslowakischen Militärbudgets im Jahre 1963, dazu, dass die Produktion nicht nur verzögert, sondern auch die Menge der bestellten Fahrzeuge wesentlich reduziert wurde.
Schlussfolgerung
Ungeachtet der oben genannten Probleme bei Produktion und Logistik lief die Produktion erfolgreich an und es wurden bis 1971 6021 Einheiten gebaut. Leider würde die Aufarbeitung aller Probleme den Rahmen dieses Artikels sprengen, als Beispiel wollen wir die für Risse anfälligen Panzerungsplatten anführen - ein Makel, der von den Polen bewusst verschwiegen wurde, bevor man ihn bei fehlerhaften, in die Tschechoslowakei gelieferten Fahrzeugen entdeckte.
Two SKOT-2A and one SKOT-2AP
Die Entwicklung des Fahrzeug war keineswegs billig, betrug zwischen 1958 und 1963 33 Millionen CZK und über 1,1 Millionen Arbeitsstunden und summierte sich 1965 auf 57 Millionen CZK. Bevor das erste serienmäßig produzierte Fahrzeug die Fabrikhallen verließ, wurden stolze 139 Millionen CZK investiert. Auf polnischer Seite betrugen die Entwicklungskosten 620 Millionen Zloty, auch wenn diese Angaben von der Tschechoslowakei angezweifelt werden. Preisliche Kalkulationen waren schon damals eine komplizierte Sache, weil etwa die tschechoslowakische Seite die Produktionskosten eines Exemplars mit 4143 Rubel ansetzte, während man in Polen mit 8097 rechnete, was einige Jahre später auf 2227 reduziert wurde. Diese Unstimmigkeiten waren ein weiterer Beweis für das zwischen den beiden Ländern herrschende Misstrauen.
Ein tschechoslowakischer Militärbericht von 1966 bescheinigte dem Produktionsprozess des OT-64 mangelnde Effizienz und stufte die Rolle der Tschechoslowakei bei dem Joint-Venture als nachteilig aus, woraufhin die Empfehlung formuliert wurde, keine weiteren internationalen Projekte zu fördern, bis Verträge mit besseren Konditionen ausgehandelt würden. Die tschechoslowakische Meinung zum Zustand der polnischen Militärindustrie lässt sich an einem einzigen Zitat aus dem Bericht verdeutlichen:
„Daraus schließen wir, dass die Zusammenarbeit einzig und allein dem Zweck diente, in Polen eine solide industrielle Infrastruktur im Bereich des Panzerbaus zu schaffen, wie sie bis dato nicht existierte...“
Diese teilweise auf Tatsachen beruhenden Vorwürfe (die auch von einigen Vertretern des tschechoslowakischen Militärs vorgetragen wurden) führten zusammen mit der Teilnahme der polnischen Armee an der sowjetischen „Intervention“ von 1968 zu einer spürbaren Verschlechterung der bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Ländern.
Quellen:
- M.Burian, J.Dítě, M.Dubánek – OT-64 SKOT
- M.Dubánek – Trnitá cesta k zadání úkolu SKOT
- M.Dubánek – Od Bodáku po Tryskáče: Nedokončené československé zbrojní projekty 1945-1955
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