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Fahrzeuge im Fokus: XM800T

Um die Geschichte des XM800T zu verstehen, müssen wir uns in die 1950er-Jahre versetzen – die Ära der klassischen gepanzerten Mannschaftstransportwagen. Der Zweite Weltkrieg sah einen Boom an gepanzerten Infanteriefahrzeugen, nahezu jede der großen Kriegsparteien entwickelte eigene Modelle. Die Amerikaner mit ihren Halbkettenfahrzeugen machten da keine Ausnahme. Nach dem Krieg entwickelten sich daraus mehrere MTW-Varianten, die im Verlauf der 1950er-Jahre unter anderem den M59 hervorbrachten und schließlich in einem der bekanntesten amerikanischen Fahrzeuge der Ära des Kalten Krieges gipfelten – den MTW M113 von FMC.

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Der M113 ist kein gepanzertes Fahrzeug im strikten Sinne des Wortes gewesen. Entsprechend der amerikanischen Battle-Taxi-Doktrin (Truppen an den Einsatzort bringen, abladen und verschwinden) bot es der Besatzung und den Passagieren nur rudimentären Schutz vor Kleinkaliberwaffen, während schwere Maschinengewehre oder Panzerabwehrhandwaffen es mit Leichtigkeit durchsiebten. Der niedrige Schutzfaktor galt dabei zu Beginn der Produktion keinesfalls als problematisch, schließlich war das Fahrzeug nicht für den Kampfeinsatz vorgesehen. Im weiteren Verlauf stellte es jedoch einen der Faktoren dar, die dazu führten, dass die Amerikaner ihre Kampftaxi-Doktrin beginnend mit der Mitte der 1960er-Jahre änderten.

Ein anderer Faktor war die nukleare Kriegsführung. So unglaublich es heute auch klingen mag, aber die damaligen amerikanischen (später auch sowjetischen) Pläne für Europa beinhalteten auch den Einsatz taktischer Nuklearwaffen. Für die Amerikaner war es eine der wenigen tragfähigen Optionen, der zahlenmäßig in Europa weit überlegenen Sowjetarmee etwas entgegenzusetzen oder sie gar zu besiegen. Es dauerte nicht lange, bis die Sowjetunion ihrerseits den Einsatz dieser Waffen vorantrieb.

Eben diese Entwicklung stellte ein großes Problem für die damaligen MTW dar. Der M113 besaß zu jener Zeit keinen ABC-Schutz und die Aussicht auf den Einsatz in radioaktiven Kampfgebieten war nicht gerade verlockend. Benötigt wurde ein mechanisiertes Infanteriefahrzeug, das diesen Gefahren widerstehen konnte, schwerem Beschuss standhielt und es sogar mit etwas mehr als einem .50cal-Maschinengewehr beantworten würde.

Dieser Denkansatz hatte seine Nachteile. Zum einen konnte ein gewöhnlicher MTW bis zu zwei oder drei mal so viele Truppen transportieren, wie ein gleich großes Fahrzeug mit Geschützturm. Man kann sich denken, dass die verantwortlichen Kommandanten der Infanterie auch über diese Entwicklung nicht sonderlich erfreut waren. Zum anderen: Standard-MTW waren vergleichsweise kostengünstig. Die Erweiterung um einen Geschützturm und die entsprechende Optik ließ die Kosten in die Höhe schnellen.

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Diese Gegenargumenten wurde mit dem Auftauchen des sowjetischen BMP-1 im Jahr 1966 etwas konkretes entgegengesetzt. Dieser sah schneidig aus, konnte schwimmen, im Vergleich zum M113 mehr einstecken und besaß nicht zuletzt eine große Kanone. In Wirklichkeit war die Leistung der 73-mm-Niederdruck-Kanone alles andere als beeindruckend, doch dank ihrem Aussehen und der entsprechenden Propaganda erweckte sie den Eindruck, als besäße jedes sowjetische Schützenfahrzeug die Feuerkraft eines Panzers.

Und dann war da noch die Rolle, die der Vietnamkrieg spielte. Für das neue Panzerfahrzeug der mechanisierten Infanterie war der Krieg sowohl Fluch, als auch Segen. Ein Fluch aufgrund der extrem hohen Kosten. Unglaubliche Summen an Steuergeldern wurden in dieses schwarze Loch investiert, oft zu Lasten anderer, teils vielversprechender Militärprojekte. Dieses Schicksal ereilte unter anderem den XM701 von MICV-65 – den ersten amerikanischen Versuch, einen echten SPz zu bauen (auch wenn der Prototyp zugegebenermaßen weiter Probleme hatte).

Der Segen entstammte paradoxerweise den anfänglichen problematischen Resultate des M113. Als der M113 im Jahr 1963 erstmals in Vietnam zum Einsatz kam, war es praktisch ein brandneues Fahrzeug (der erste Einsatz lag gerade drei Jahre zurück) und die Kampftaxi-Doktrin musste erst in der Praxis getestet werden. Die ersten Einsätze waren desaströs, vor allem für die ARVN-Truppen, die das Fahrzeug ungeschützt verließen und umgehend von den Nordvietnamesen umgenietet wurden.

Der M113 war darüberhinaus anfällig für schweres Maschinengewehrfeuer. Glücklicherweise verfügte die NVA nur über wenige Waffen dieses Typs, die für die dünnhäutigen M113 tödlich waren. Die letzte und vielleicht größte Gefahr für das Fahrzeug bildeten die vielen Minen und improvisierten Sprengsätze. Antipanzerminen waren in der Lage, die Fahrzeuge in Stücke zu reißen und jeden im Innern zu töten. Selbst kleinere Sprengsätze konnten immensen Schaden anrichten. Als Folge zogen es die Truppen in der Anfangszeit vor, auf dem Dach des Fahrzeugs zu fahren, statt im Innern.

Der M113 war niemals für diese Art von Einsatz vorgesehen, sondern sollte in solchen Fällen das Weite suchen. Wie so oft vertrug sich die Realität des Schlachtfelds nicht mit dem, was in tausende von Kilometern entfernten, klimatisierten Räumen entworfen wurde. Kaum einer der an der Entwicklung beteiligten Ingenieure konnte die auf dem Dach fahrenden Truppen vorhersehen, die sich einredeten, auf diese Weise die Gefahren besser erkennen und vermeiden zu können, statt im Innern auf einen plötzlichen Tod durch Minenexplosionen oder schweres MG-Feuer zu warten.

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Jahre später wurde der Bradley mit speziellen Schiesscharten angeboten. Und auch wenn diese in der schwarzen Komödie „The Pentagon Wars“ gehörig auf die Schippe genommen wurden, so bestand ihr primärer Zweck nicht darin, den Truppen im Innern den Beschuss von Zielen außerhalb des Fahrzeugs zu ermöglichen, sondern ihnen ein Gefühl der Kontrolle über die Umgebung zu verleihen und so der Kampfangst und Klaustrophobie entgegenzuwirken.

Ausgehend von diesen Faktoren und dem bereits erwähnten Erscheinen des BMP-1 als Teil einer großangelegten Modernisierung der sowjetischen Infanterie entschied sich die US-Armee 1968 zu einer Neuauflage des Mechanized Infantry Combat Vehicle-Programms (MICV). Der M113 würde es nicht länger packen. Er wurde zwar immer noch produziert, hatte den Bedrohungen durch moderne sowjetische Fahrzeuge jedoch nichts entgegenzusetzen.

Das Vorhaben resultierte ab 1969 in mehreren Projekten. FMC modifizierte einen ihrer M113 und stellte einen SPz-Prototypen namens XM765 AIFV (Armored Infantry Fighting Vehicle) vor. Eine andere Option, die von der Armee in Betracht gezogen wurde, war die Anschaffung des deutschen Marders, allerdings wurde dieser Ansatz schnell wieder verworfen, eben weil das Fahrzeug nicht aus amerikanischer Produktion stammte. Der XM765 war aber auch kein Siegertyp – es handelte sich dabei im Grunde um einen M113 mit etwas verbesserter Panzerung und 20-mm-Kanone. Am wichtigsten aber war die Tatsache, dass er viel zu langsam war, um mit dem in den Startlöchern stehenden KPz Abrams mitzuhalten, weshalb das Programm ebenfalls verworfen wurde.

FMC reagierte mit der Produktion eines weiteren Fahrzeugs mit etwas anderer Technologie namens XM723 MICV (Mechanized Infantry Combat Vehicle). Es war größer, robuster und schneller als der XM765. Seine Stahl- und Aluminiumhülle schützte vor sowjetischen 14,5-mm-Geschossen und das Fahrzeug brachte es auf beachtliche 72 km/h. Es gab jedoch Probleme mit der unzureichend entwickelten Bewaffnung, was zu ernsten Verzögerungen führte. Und diese Probleme waren nicht die einzigen, was uns schließlich zum XM800T führt.

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In den frühen 1970er-Jahren war die Finanzierung von Militärprojekten aufgrund der knappen Haushaltslage arg beschränkt, sodass die Verantwortlichen des MICV-Programms überhaupt nicht froh waren, als sie im Oktober 1971 erfuhren, dass ein Teil ihrer Mittel für die Entwicklung eines Programms der U.S. Army namens „Armored Reconnaissance Scout Vehicle“ abgezweigt wurde.

Dieses Modell sollte den mit Problemen behafteten Sheridan und den M114 ersetzen (bei dem Letzteren handelte es sich um einen modifizierten M113, der sich für die ihm angedachten Aufgaben als Aufklärer kaum eignete). Die Probleme mit dem Sheridan haben wir euch in unserer dreiteiligen Artikelserie zum Sheridan dargelegt:

Der Nachfolger musste schnell, gut getarnt und, idealerweise, lufttransportfähig sein. Lockheed und FMC wurden eingeladen, ihre Vorschläge zu machen – bei FMC entschied man sich für ein Kettenfahrzeug, währen Lockheed ein 6x6-Radfahrzeug mit dem Namen XM800W vorstellte.

Die ersten Verträge für vier Prototypen wurden im Mai 1972 abgeschlossen, später wurde die Anzahl auf einen pro Hersteller verringert. Der FMC-Prototyp in der Kategorie der Kettenfahrzeuge mit der Bezeichnung XM800T wurde im Mai 1973 fertiggestellt, woraufhin im November 1973 offizielle Testläufe begannen (zu diesem Zeitpunkt hatten beide Prototypen bereits 6000 Meilen auf dem Buckel).

Das Kettenfahrzeug machte einen durchaus guten Eindruck. Es war leicht und wendig, wog 8,6 Tonnen und wurde von einer 280-PS-Version des Detroit Diesel 6V53-Motors mit Allison X-200 Crossdrive-Getriebe angetrieben, die es auf ansehnliche 88 km/h brachte. Das Leistungsgewicht war für die damalige Zeit ziemlich hoch und betrug 32,5 PS/t.

Und während die Panzerung immer noch sehr dünn war, hielt sie immerhin Treffern durch 14,5-mm-Geschosse stand, wie von der Armee vorgegeben.

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Sowohl die Ketten- als auch die Radvariante verfügte über denselben Geschützturm mit fortgeschrittenen optischen und elektronischen Anlagen, wie dem Tag-Nachtvisier von Delco.

Der Turm war mit der stabilisierten 20-mm-Maschinenkanone Hispano-Suiza HS.820 ausgerüstet, die sich mit den zu erwartenden Feinden messen konnte, darunter auch mit dem BMP-1. Diese Waffe wurde in den Vereinigten Staaten unter dem Namen M139 auf Lizenz hergestellt. Die Rolle, die dieses Geschütz bei der Entwicklung amerikanischer Panzerfahrzeuge spielte, ist ziemlich interessant, weil sämtliche damit ausgestattete Projekte entweder scheiterten oder trotz ihrer Qualitäten eingestellt wurden.

Dem XM800T erging es dabei nicht anders. Die Testläufe waren durchaus erfolgreich und das Design hatte Potenzial – man war Lockheed in fast allen Bereichen voraus. Doch das Geld war knapp und der Vietnamkrieg noch im vollen Gange.

Das Projekt war dermaßen vielversprechend, dass der Kongress die Anschaffung von 3500 Einheiten zu einem Preis von 141 Tausend Dollar pro Stück in Erwägung zog. Im April 1974 wurde diese Zahl auf 1147 Fahrzeuge reduziert.

Die Entscheidung zur Einstellung des Projekts kam schließlich von ganz oben in der Befehlskette. Offiziell wurden dafür fehlende Geldmittel genannt, auch wenn behauptet wird, dass der Konkurrent Lockheed mit verstärkter Lobbyarbeit wesentlich zu der Entscheidung der Gremien in Washington D.C. beitrug. Das ARSV-Programm wurde im November 1974 eingestellt und der einzige XM800T-Prototyp eingemottet – er hat bis zum heutigen Tag überdauert und ist sogar noch fahrtüchtig.

Ein Jahr später entschied man sich dazu, die Ziele der ARVS- und MICV-Programme zu verschmelzen, was in einem Entwicklungschaos endete, der schließlich die M2-Serie (SPz) und die M3-Serie (gepanzerte Kavallerie) des Bradley-Kampffahrzeugs hervorbrachte. Doch das ist eine ganz andere Geschichte.

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Bei Armored Warfare ist der XM800T ein Ketten-SPz des 3. Tiers. Anders als sein reales Gegenstück ist es nicht nur mit einer 20-mm-Kanone, sondern zusätzlich mit zwei LAW-Werfern ausgestattet. Die M72 LAW ist eine 66-mm Panzerabwehrwaffe der Infanterie, die seit dem Vietnamkrieg im Einsatz war (erstmals in 1963) und bis zu 250 mm Panzerung durchschlagen konnte. Sie war leicht, robust und sicher. Die Erweiterung der Bewaffnung um diese zwei Werfer ist eine zwar unorthodoxe, aber dennoch machbare Lösung, auch wenn die Waffen nur bei Stillstand des Fahrzeugs und auf kurze Distanz ihren Zielen gefährlich werden können.

Die LAW-Werfer wurden dem XM800T als historisch glaubwürdige Anpassung an die Spielbalance hinzugefügt und machen ihn zu einem der einzigartigsten Fahrzeuge seiner Klasse. In den richtigen Händen stellt der schnelle und wendige XM800T einen erstklassigen Gegenspieler dar, der unter keinen Umständen unterschätzt werden sollte.

Wir sehen uns auf dem Schlachtfeld!

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