Eines der zukünftigen Fahrzeuge Zhang Fengs bei Armored Warfare wird das gepanzerte Personentransportfahrzeug OT-65 sein. Dieses ursprünglich in Ungarn entworfene, mit vier Rädern ausgestattete Transportfahrzeug trat in den späten 1960ern unter dem Namen OT-65 den Dienst in der tschechoslowakischen Armee an und wurde mehrere Jahrzehnte lang genutzt. Während die Kernaufgabe der Fahrzeuge in der Aufklärung und dem Transport kleinerer Truppenteile lag, nahm ein bestimmter OT-65 an einem wagemutigen Fluchtmanöver aus der kommunistischen Tschechoslowakei teil.
Polnische Variante des OT-65
Nach dem Staatsstreich im Jahr 1948 wurde die Tschechoslowakei fest als Teil des kommunistischen Blocks der Sowjetunion verankert. Eine der Auswirkungen dieser Orientierung war der Fakt, dass die Grenzen nicht mehr frei überquerbar waren – es war nicht mehr möglich, ohne Einschränkungen in den Westen zu reisen, zudem stellte ein unberechtigtes Verlassen des Landes eine Straftat dar, die oftmals mit mehreren Jahren Haft bestraft wurde.
Von 1948 bis zum Ende der kommunistischen Diktatur im Jahr 1989 versuchte eine große Anzahl von Personen die Grenze illegal zu überqueren, wobei viele gefasst oder den Fluchtversuch mit ihrem Leben bezahlen mussten, da die Grenzsoldaten angewiesen waren, Personen während der Flucht zu erschießen. Die meisten Fluchtunternehmen geschahen einfach zu Fuß oder in privaten Autos oder Lastwagen, allerdings waren auch manche durch gestohlene, gepanzerte Fahrzeuge ermöglicht worden. Die wohl bekanntesten sind die Eskapaden des sog. Freiheitspanzers (eines Steyr-Personentransporters) und eines M5 Stuart gewesen. EDoch selbst der Schutz der Panzerung war kein ein Garant für eine erfolgreiche Flucht. Ein Fluchtversuch im Jahre 1964 mit dem Flugabwehrpanzer „Ještěrka“ endete in einer Tragödie. Das stoppte die anderen Waghälse allerdings nicht vor erneuten Anläufen und die folgende Geschichte ist eine der spannendsten.
Ein OT-65 gegen den eisernen Vorhang
Ján Bodnár, geboren im Jahr 1947, war ein Arbeiter aus Košice in der Slowakei. Er war ein ruhiger und introvertierter Mann, der dem politischen System eher kritisch gegenüberstand. Er war sehr geschockt und verstört durch die sowjetische Invasion in die Tschechoslowakei im Jahr 1968. Während seiner Wehrpflichtzeit 1969 wurde er zum 51. Mechanisierten Infanterie-Regiment nach Český Krumlov (im südlichen Böhmen) entsandt, wo er durch zahlreiche Verstöße auffiel. All diese Umstände gaben ihren Teil dazu, die Entscheidung zu treffen, die Tschechoslowakei einmalig und für immer zu verlassen.
Der slovakische Bürger Emil Gallo entblößt seine Brust zum Trotz eines sowjetischen Panzers in Bratislava
Er benötigte keinen extrem komplizierten Plan, denn er hatte zwei Vorteile auf seiner Seite:
- Die Invasion hinterließ die tschechoslowakischen Truppen in personeller Unordnung und die Sicherheitsvorkehrungen waren geringer als gewohnt
- Durch seinen Dienst kannte er den Weg zur Grenze und die Beschaffenheit der Landschaft
Natürlich kannte er genau die Anweisung an die Grenzsoldaten, illegale Emigranten zu erschießen und entschloss sich, eines der gepanzerten Fahrzeuge seiner Einheit zu stehlen. Nach etwas Aufklärungsarbeit fand er heraus, dass der Fuhrpark der OT-65 Aufklärungsfahrzeuge am einfachsten zu erreichen war.
Die Wahl des OT-65, welcher seines originalen ungarischen Namens wegen auch “FUG” genannt wurde, war eher ein Risiko. Diese Fahrzeuge waren berüchtigt für ihre Unzuverlässigkeit und zudem oft in einem sehr schlechten Zustand – in einem anderen Fall erinnerte sich ein ehemaliges Besatzungsmitglied eines OT-65 daran, nur eine einzige von vier funktionierenden Bremsen gehabt zu haben und die internen elektronischen Kabel in diesem Zustand nicht die Heizung oder die Beleuchtung starten konnten, sodass die Soldaten den Innenraum mit einer Petroleumlampe erhellen und erhitzen mussten. Zusätzlich war die Fähigkeit diese Fahrzeug, unwegsames Gelände zu durchqueren, ebenfalls sehr schwach, obwohl es vier weitere einziehbare Räder gab, die entworfen wurden, um schwierige Hindernisse zu überwinden (das Retraktionssystem wurde ebenfalls als extrem unzuverlässig und selten funktionierend zitiert, selbst bei Einsatzfahrzeugen).
Nichts davon war wirklich dramatisch, schließlich war der Weg zur österreichischen Grenze nicht lang – und noch viel wichtiger – es gab eine Straße, die direkt nach Österreich führte.
OT-65A Variante mit einem 82mm T-21 rückstoßfreien Geschütz
Bodnár plante nicht, die Flucht alleine vorzunehmen und unterrichtete zuerst einen Freund, den Gefreiten Jan Košek, von seinem Plan. Košek lebte zeitweise in Österreich und obwohl die Flucht für ihn interessant war, wollte er seine Frau und Kinder nicht hinter sich lassen. Er gab Bodnár allerdings einige wertvolle Ratschläge, zum Beispiel die Wahl der Grenzüberquerung (da die Grenze bei Dolní Dvořiště Stahlträger über der Straße verteilt besaß, welche selbst gepanzerte Fahrzeuge nicht überqueren konnten). Bodnár entschied sich letztlich, die Grenzüberquerung in Studánkyzu wagen, wo die Straße nur durch einen Stacheldrahtzaun blockiert wurde, den ein gepanzerter Personentransporter ohne Probleme durchqueren und wie Butter schneiden konnte. Von diesem Punkt an war Bodnár überzeugt davon, dass sein Plan aufgehen würde und arbeitete an Details – bis der Tag kam, an dem alles vorbereitet war und es Zeit war, ihn in die Tat umzusetzen.
Am 31. Mai 1969 schlich Bodnár nach 22:00 Uhr aus den Unterkünften, um sich zu den Garagen zu begeben. Um 23:45 verschaffte er sich Zugang zu einem der OT-65, startete ihn und fuhr direkt aus der Kaserne heraus. Das Personal in der Garage war zu dieser Zeit mit der Wartung eines anderen Fahrzeugs befasst und Panzer oder andere gepanzerte Fahrzeuge waren üblicherweise nicht in der Nacht unterwegs, worauf Bodnár gesetzt hatte – beim Verlassen schöpften die Wachen keinen Verdacht und lösten keinen Alarm aus. Er hatte Glück, denn zur gleichen Zeit fand in der Kaserne ein großes Übungsmanöver statt, sodass ein weiteres Fahrzeug in Bewegung niemandem auffiel. Die Fahrt zur Grenze selbst war deshalb komplett ruhig.
Um 01:30 Uhr erreichte Bodnár schließlich den Grenzübergang, welcher durch zwei Soldaten der 5. Grenzschutzkompanie bewacht wurde. Die Grenzwachen sahen das sich annähernde Fahrzeug und signalisierten ihm mit ihren Taschenlampen, anzuhalten.
Als sie sahen, dass der OT-65 den auf der Straße installierten Panzerblockaden auswich, realisierten sie, was vor sich ging. Zur gleichen Zeit betätigte Bodnár das starke Fernlicht, das die Grenzwachen kurzzeitig blendete und den Motor aufheulen lies. Die Soldaten feuerten sofort mit ihren Sturmgewehren auf das Fahrzeug– einer feuerte 20 Schüsse, der andere 12 Schüsse, die die dicke Panzerung allerdings konnten sie nicht durchdringen. Sie sahen hilflos dabei zu, wie das Fahrzeug in den Stacheldraht preschte und anschließend im Wald auf der österreichischen Seite verschwand.
Die Nachwirkungen
Ján Bodnár fuhr den Transporter in die benachbarte Stadt Leonfelden, wo er es vor einer Polizeistation parkte und sich um 02:00 Uhr den schockierten österreichischen Polizisten ergab. Der Polizeibericht bestätigte, dass er unbewaffnet war – und dort endeten alle Berichte über ihn. Möglicherweise lebte er den Rest seines Lebens als gewöhnlicher Bürger in Österreich.
Tschechoslowakische Grenzwachen beim "Schutz" der Grenze gegen "imperialistische Aggressoren"
Zurück in der Kaserne in Český Krumlov wurde der Diebstahl um ungefähr 03:00 Uhr morgens entdeckt, als die Wachen den Kommandanten der Einheit weckten und ihm sagten, dass es ein großes Problem gäbe und eines der gepanzerten Transportfahrzeuge fehle.
Die anschließende Untersuchung wurde durch den gefürchteten militärischen Geheimdienst durchgeführt, der für unbarmherzige Vorgehensweise bekannt war. Die Kontrolleure entdeckten schwere Fehler im Schichtsystem der Wachmannschaften, sodass mehrere Offiziere für den Diebstahl bestraft wurden, wenn auch nicht schwer. Gegen Jan Košek, Bodnárs Freund, wurde ebenfalls ermittelt, wobei seine Beihilfe allerdings nicht entdeckt wurde.
Der OT-65 wurde am nächsten Tag wiedererlangt – die Österreicher fuhren den Transporter wieder zurück zur Grenze, an der ihn eine Gruppe tschechoslowakischer Soldaten in Empfang nahm. Die einzigen fehlenden Gegenstände waren ein Helm, eine Handgranate und mehrere Essensbehälter. Es wurde spekuliert, dass österreichische Polizisten sie als Souvenir behalten hatten. Die Flucht von Ján Bodnár war die letzte erfolgreiche Flucht, die in der Tschechoslowakei mit einem gepanzerten Fahrzeug durchgeführt wurde. Die 1970er – auch als “Jahre der Normalisierung” bezeichnet – zeichneten sich durch eine Erhöhung der Grenzsicherheit aus und die nach 1968 durchgeführten militärischen Säuberungen führten dazu, dass „indiskrete“ Offiziere und Soldaten aus dem Dienst entfernt wurden. Zur üblichen Fluchtvariante wurde damals ein Urlaub in Jugoslawien gemacht – aus dem man nie zurückkehrte.
Quellen:
- I.Pejčoch – Hrdinové Železné Opony
- I.Pejčoch – Ve Stuartu za svobodou, HPM 7/2006
- Příběhy železné opony (Česká Televize)
- Csla.cz
- Valka.cz