Eintrag 14 – Der Krieg beginnt
In dieser Nacht träumte ich zum ersten Mal seit meiner schicksalhaften Begegnung mit Murdoch etwas. In den Tagen davor war ich zu beschäftigt gewesen, um etwas anderes zu tun als zu schlafen, aber irgendwie hatte sich schließlich ein Albtraum seinen Weg in meinen erschöpften Geist gebahnt.
Es war jedoch nicht der übliche Albtraum. Ich stürzte in eine tiefe, dunkle Leere, in der tiefe Bassfrequenzen des Urklangs vibrierten, die Himmelskörper erschaffen oder zerschmettern konnten. Das Dröhnen sterbender Sterne durchdrang meine gesamte Existenz. Irgendwie konnte mein gequälter Verstand trotzdem genug Kraft aufbringen, um ein einziges Wort aus dem Lärm herauszuhören – ein Wort, das ich nicht verstand und an das ich mich anschließend nicht mehr erinnern konnte.
Ein festes Klopfen auf meine Schulter rettete mich aus dem Martyrium, doch die ersten Sekunden nach dem Aufwachen ließen mich zweifeln, ob der Albtraum gerade erst begann.
Es war noch mitten in der Nacht, doch im Lager herrschte chaotische Betriebsamkeit und die Luft war erfüllt von einer kaum zu bändigenden Panik. Ich hörte die scharfen Knallgeräusche von Handfeuerwaffen und das tiefere Donnern von Geschützexplosionen, merkte aber sofort, dass sie mindestens ein paar Kilometer entfernt waren – jemand, der noch nie ein Gewehr abgefeuert oder Artillerie aus der Nähe gehört hat, kann sich kaum vorstellen, wie schmerzhaft laut es ist. So oder so – eine schlechte Nachricht, ach was, so ziemlich die schlechteste überhaupt. Feuergefechte dieser Größenordnung waren in den USA normalerweise nicht an der Tagesordnung, egal wie nah man an der Grenze war.
„Was zum Teufel ... Was ist hier los?“
Es war Espinoza, die mich wachrüttelte, und es war das erste Mal, dass sie wirklich besorgt aussah. Sie winkte jemanden fort und rief ein paar Befehle auf Spanisch, bevor sie sich wieder mir zuwandte.
„Es hat vor wenigen Minuten begonnen. Die Telefonleitungen sind tot, der Funkverkehr gestört, es gibt keinen Handyempfang und sogar die Satellitenverbindung funktioniert nicht mehr."
Ich wollte gerade fragen, wie das möglich sein konnte, aber sie winkte ab.
„Mehr wissen wir nicht. Jim denkt“, sie holte tief Luft und hielt dem Indianer, der gerade ein paar Soldaten organisierte, die Daumen hoch, „dass der Stützpunkt der Army angegriffen wird.“
Ich schüttelte den Kopf und versuchte immer noch, die Überbleibsel des Alptraums aus meinem Kopf zu bekommen, um die Situation zu begreifen.
„Könnte es eine Übung sein?“
Aber ich begriff sofort, wie vergeblich diese Hoffnung war.
„Nein, das ist kein ausgewiesenes Übungsgelände. Sie würden auch nicht den Funkverkehr kappen und schon gar nicht mitten in der Nacht ohne Vorwarnung ein Artillerieduell anzetteln. Wir haben auch einige lautere Explosionen gehört. Das müssen Munitionslager gewesen sein. Aber sicher ist das nicht.“
Die ganze Situation kam mir so unwirklich vor. Ich griff nach einer Wasserflasche und leerte sie mit einigen schnellen Schlucken.
„Eine Militärbasis anzugreifen, das ist doch Selbstmord. Und zwar egal für wen. Die Kartelle haben dafür nicht genug Feuerkraft, verdammt, nicht einmal die Konzerne haben sie ...“
Sie nickte.
„Ja, wie ich bereits sagte, wir wissen nicht, was los ist. Aber ...“
Sie hielt plötzlich inne, blickte auf und legte ihre Stirn in entschlossene Runzeln.
„Wir werden es schon bald herausfinden.“
Ich sah sie ungläubig an.
„Bist du wahnsinnig? Wir sind kaum mit dem Training fertig, keins unserer Fahrzeuge ist betankt, keine Munition geladen, und du willst mitten in diese Scheiße fahren?!“
„Der Banger ist kampfbereit“, sagte sie in Richtung eines rostigen Metallhaufens in der Nähe, „jemand hat die Klapperkiste am Abend vollgetankt, wahrscheinlich um eine Spritztour zu machen.“
„Was zum Teufel ist der Banger?“
„Dieser alte rostige M113, den wir geborgen und herausgeputzt haben. Sogar das Rückstoßfreie auf dem Dach ist geladen.“
Trotz der Umstände konnte ich mir ein Grinsen wegen des absurden Namens nicht verkneifen.
„Aha. Deswegen heißt er der Bange, wegen des großen Bängs!“
Plötzlich errötete ihr Gesicht in leichter Verlegenheit, was ich nicht bemerkt hätte, wenn die von Generatoren angetriebenen Lampen das Lager nicht beleuchten würden.
„Ja, DAS ... und es ist eine Bahre drin. Wenn du verstehst.“
„Oha.“
Sie erhob sich und deutete auf zwei in der Nähe stehende Männer.
“Vasquez, Donner, nehmt den Banger und fahrt voraus. Aber haltet euch bloß von Ärger fern und kehrt beim ersten Anzeichen von Gefahr zurück ins Lager."
Beide salutierten und eilten davon. Kurze Zeit später setzte sich der alte MTW knarrend, röhrend und Rauch ausstoßend in Bewegung und nahm allmählich Fahrt auf, bevor er hinter der ersten Kurve der unbefestigten Straße hinter dem Lagertor in einer Staubwolke verschwand.
Zehn Minuten später schien der Konflikt mit unverminderter Intensität zu wüten. Mittlerweile waren alle wach, Männer und Frauen wuselten umher, sammelten Waffen ein, schnallten sich eilig Ausrüstung um und machten sich auf alle möglichen Arten bereit für den Einsatz.
Zu meiner großen Enttäuschung hatte das Betanken der schnellsten Fahrzeuge Vorrang vor den Kampfpanzern, da es viel schneller dauerte, sie im Vergleich zu den benzinschluckenden Monstern zu befüllen.
Die Spähtrupps machten sich als erste auf den Weg. Die Räder mehrerer von der Armee geliehener Jaguars trugen sie in die Schlacht und folgten den Spuren des Bangers, der immer noch nicht zurückgekommen war und den ich mittlerweile angeschrieben hatte.
Als nächste waren die Panzer dran, von denen jeder gute zehn Minuten fürs Volltanken benötigte. Technisch gesehen war es nicht nötig, sie komplett zu befüllen, aber es ist kaum vorstellbar, wie viel Sprit fünfzig Tonnen Stahl im Kampf verbrauchen können. Vorsicht war also besser als Nachsicht. Außerdem konnten wir nicht wissen, was aus unserem Lager werden würde. Wir würden zwar nur stückweise ankommen, aber unter den gegebenen Umständen war es das Beste, was uns einfiel.
Die ersten Fahrzeuge, die nach den Scouts ausrückten, waren mein Black Mamba, Espinozas Night Singer und O‘Sullivans Faugh a Ballagh. Jeder von uns nickte beim Einsteigen seiner Besatzung zu, ich erteilte den anderen noch die letzten Befehle und warf meinen Kollegen einen letzten Blick zu. O'Sullivan schien am meisten besorgt zu sein, murmelte Flüche und schrie die Männer an, die neben seinem alten Eisenross herumwuselten.
Doch wie sagte Chuck Yeager einst so schlau: „Es ist der Mensch und nicht die Maschine“, und der alte O'Sullivan, ergrauter Veteran der „New Troubles“, machte alle Mängel der veralteten Technik durch Erfahrung und Mut mehr als wett. Ich hatte nicht viel Zeit, ihn kennen zu lernen, aber viele im Lager betrachteten ihn als eine Art Großvater – vom Typ schreiender alter Kauz.
Ich kletterte auf den BMPT und zwang mich in die Kommandantenluke.
Kaum war ich drin, schloss ich die Augen und ließ den Lärm der Außenwelt verebben. Wie schnell sich die Welt doch ändern kann, dachte ich. War das der Grund, warum Murdoch uns hierher geschickt hat, mitten ins Nichts, damit wir auf solche Fälle vorbereitet waren? Warum hatte er es uns dann nicht gesagt? Ohne verlässliche Informationen in die Schlacht zu ziehen, war bestenfalls vermessen, an sich aber einfach nur dumm. Und doch taten wir es, ohne auf die Späher zu warten. Solche und ähnliche Gedanken gingen mir durch den Kopf, während ich mich dazu zwingen musste, mich auf die Gegenwart zu konzentrieren.
Das Radio, das immer noch von einem tiefen und sonderbaren (gleichzeitig aber seltsam vertrauten) Dröhnen erfüllt war, war immer noch nutzlos. Der Ton klang ganz anders als jedes Störsignal, das ich bis dahin gehört hatte. Mir wurde klar, dass wir es auf die klassische Art tun mussten. Ich lehnte mich aus der Luke, winkte Espinoza zu und sah, wie ihre Silhouette im Schein der Lagerbeleuchtung die Geste erwiderte. Es war Zeit, aufzubrechen.