Über

Eintrag 11

scr11

Eintrag 11 – Ein Videoanruf

Nach einer Woche voller Schulungen folgten richtige Schießübungen. Die Führung eines Panzers ist nicht allzu schwierig, wenn jemand die Knöpfe mit englischen Übersetzungen überklebt und die anderen Crewmitglieder wissen, was sie tun. Einen Großteil der Arbeit übernimmt ohnehin der Bordcomputer, den Rest bekommt man schnell in den Griff. Die Maschinen sind schließlich für Wehrpflichtige gedacht.

Ich gewöhnte mich langsam an den Trott und bestand sogar meine Infanterie-Schießprüfung mit Bravour. Tatsächlich lief es besser, als gedacht. Ich nahm an, es war das Bedürfnis, meine neuen Teamkollegen zu beeindrucken, das mich antrieb. Andererseits hatten wir seit einer Woche keine Nachricht mehr vom Hauptquartier erhalten, was mich langsam etwas nervös machte. Außer mir schien sich niemand daran zu stören – alle gingen weiter ihrer Arbeit nach. Doch das sollte sich schon am nächsten Tag ändern.

Der Nachthimmel wich langsam der Morgenröte. Als die Dämmerung hereinbrach, lag ich immer noch neben einem Lagerfeuer und lauschte dem leisen Knistern der Glut und den Geräuschen eines langsam aus dem Schlaf erwachenden Militärlagers. Der Gestank von verbranntem Benzin, der den Ort durchzog, vermischte sich mit dem süßen Geruch von frisch gekochtem Kaffee, den die Frühaufsteher durch die Gegend trugen. Wo eben noch alles ruhig war, waren jetzt nur noch schlürfende Füße zu hören.

Wo kamen plötzlich all diese Zombies her, fragte ich mich, während ich das Durcheinander beobachtete. Vielleicht hatte uns alle ein Virus befallen. In diesem Fall würde es ohnehin keinen Sinn machen, aufzustehen.

Doch leider war dem nicht so. Nachdem meine Hoffnungen durch einen freundlichen, aber enttäuschend unzombiehaften Morgengruß zunichte gemacht wurden, erhob ich mich langsam und machte mich auf die Suche nach etwas Essbarem. Und der nächsten Möglichkeit zum Schießen.

Einige Stunden und leere Magazine später kam die Nachricht.

Ich war gerade dabei, meine Waffe zu reinigen, als die sichtlich aufgeregte Espinoza mir vom anderen Ende des Hofes zuwinkte. Was war denn jetzt los, dachte ich, während ich mir den Rest des Schmieröls von den Händen wischte und den Lappen auf ein leeres Fass warf, das vor dem Zelt stand.

Ich bahnte mir den Weg zum Kommandobereich am Ende des Lagers. Kein Zelt im eigentlichen Sinne, eher eine halbfeste Konstruktion aus Plane, Kunststoff und Blech, deren gewölbtes Dach den Eindruck eines viel größeren Raums vermittelte. Der Innenraum war zwar beengt, im Gegensatz zu einigen anderen Unterkünften im Lager aber klimatisiert. Viele zogen es vor, draußen zu schlafen und die lästigen Stiche der Insekten vom nahe gelegenen Fluss über sich ergehen zu lassen, als die brütenden Hitze eines Treibhauses.

Jim Twocrows war bereits drin und starrte konzentriert auf einen Laptop, der in der Mitte eines großen Metalltisches stand. Daneben lagen jede Menge Karten, Mappen, Ordner und schmutzige Kaffeebecher. Diesen Ort wagten nur wenige zu betreten, es war das eifersüchtig gehütete Reich unseres Kommunikationsoffiziers, eines kleinen, stämmigen Kerls aus Iowa namens Marcus Abernathy.

„Was gibt‘s neues, Mark?“, begrüßte ich ihn von der Schwelle aus.

Er warf mir einen bösen Blick zu, wie er es bei jedem tat, der sich in sein Zelt verirrte, während er an einem anderen Gerät herumfummelte, dessen Zweck ich nicht einmal erraten konnte. Ohne mich weiter anzublicken, deutete er auf einen Stuhl neben der Tür.

„Setz dich. Sag nichts. Und hör zu.“

Im Gegensatz zu ihm schien Jim geradezu amüsiert zu sein, als er spöttisch mit dem Finger über seinen Mund fuhr und mich zum Schweigen brachte. Neben ihm schürzte Espinoza die Lippen und versuchte, geduldig zu wirken, obwohl sie es eindeutig nicht war. Einen Augenblick später leuchtete der Bildschirm auf, darauf – ein Büro, sowie eine Person, die ich sogleich wiedererkannte. Espinoza grinste spöttisch.

„Ferguson.“

„Freut mich ebenfalls, Gail“, antwortete die junge schwarze Frau kühl. „Und Jim.”

Der großgewachsene Indianer nickte nur schweigend.

„Ich habe Neuigkeiten für euch ...“

„Hat aber auch lang genug gedauert“, brummte Espinoza.

Unbeeindruckt fuhr die Frau auf dem Bildschirm fort.

„Mister Murdoch lässt euch alle grüßen und ist mit euren Fortschritten zufrieden. Bald werdet ihr bereit sein, sein verlängerter Arm zu werden – oder seine eiserne Faust.“

Espinoza verengte die Augen, während Jim unruhig seine Position verlagerte und schweigend die Arme verschränkte. Beides entging Ferguson nicht.

„Wie seid ihr mit den Vorbereitungen und der Technik zufrieden?“

„Nun“, begann ich, doch Espinoza grätschte mit ihrer Einschätzung der Situation dazwischen.

„Das Camp ist scheiße, die Panzer sind scheiße, die Waffen sind scheiße ... Alles ist scheiße, Ferguson. Irgendein Idiot hat entschieden, die Panzer schwarz zu lackieren und als Nachbarn haben wir ein paar Kojoten und einen saufenden Sheriff. Wie gefällt dir dieser Bericht, hm?“

Ferguson seufzte.

„Wow, vielen dank für den aufschlussreichen Befund, Gail. Lass ihn uns der Reihe nach abarbeiten. Der Anstrich – wir werden die Fahrzeuge neu lackieren, okay? Wenn ihr zurückkommt. Ihr könnt ja ... eure Wünsche notieren und wir werden uns etwas einfallen lassen. Was die Waffen anbelangt, so habt ihr Glück ...“, lächelte sie plötzlich. „Wir sind euch in dieser Frage einen Schritt voraus. Morgen werdet ihr euren Nachbarn von der Army einen Besuch abstatten, wo ein Geschenk auf euch warten wird – exklusiv von der Fort Irwin zur Verfügung gestellt. Mr. Murdoch hat seine Beziehungen spielen lassen, und ich bin sicher, dass ihr zufrieden sein werdet.“

Dann wurde sie wieder ernst.

„Sicherlich mehr als die U.S. Army, also... wir wollen keine Zwischenfälle, verstanden?"

Espinoza rollte mit den Augen, setzte eine beleidigte Miene auf und erinnerte jetzt eher an ein bockiges Schulmädchen als an eine abgebrühte Söldnerin.

„Okay, wie auch immer.“

„Ich meine das ernst, Gail“, sagte Ferguson entschieden und beugte sich vor, als wolle sie die Sache allein mit ihrem Willen durchsetzen.

„Das ist sehr wichtig, nicht nur für mich, sondern auch für ihn. Verstehst du das?“

„Ja.“

Ferguson grinste bitter, schüttelte den Kopf und unterbrach die Verbindung. Das war seltsam, dachte ich, als ich Espinoza ins Sonnenlicht folgte, um einen weiteren glorreichen Trainingstag zu beginnen.

Nach oben

About

Sei dabei!